NLT-Aktuell – Sonderausgabe 33

Sonderausgabe 

Die geschäftsführenden Präsidien des Niedersächsischen Landkreistages, des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes und des Niedersächsischen Städtetages haben im Rahmen einer gemeinsamen Sitzung am 5. Oktober 2023 in Hannover ein Positionspapier verabschiedet. Das Positionspapier ist hier dokumentiert: 

Kommunen fordern Politik des Machbaren statt ständig neue Versprechungen

Die Landkreise, Städte, Gemeinden und Samtgemeinden sind die Stütze unseres Gemeinwesens und die Basis unserer Demokratie. In ihren gewählten Vertretungen, Verwaltungen und Bürgerschaften wird die Politik aller staatlicher Ebenen in das tägliche Leben der Menschen umgesetzt. 

Derzeit müssen die niedersächsischen Gemeinden, Samtgemeinden, Städte und Landkreise sowie die Region Hannover aber wahrnehmen: 

  • Wesentliche Felder der Daseinsvorsorge werden durch den Bund und das Land Niedersachsen nicht mehr oder nicht hinreichend finanziert und vernachlässigt. Bund und Land verlassen sich darauf, dass die Kommunen vor Ort als Ausfallbürgen einspringen. 
  • Ungeachtet dessen werden durch Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene gleichzeitig immer neue staatliche Aufgaben und Tätigkeitsfelder geschaffen. Es stehen aber weder das notwendige Personal noch hinreichend finanzielle Mittel zur Umsetzung zur Verfügung. 
  • Bei den Bürgerinnen und Bürgern werden durch immer neue Versprechen – oft hinterlegt mit einer Anschubfinanzierung, die dann wegfällt – Erwartungen geweckt, die in der Realität nicht oder nicht auf Dauer erfüllbar sind. 
  • Bund und Land kommen damit ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Finanzierung übertragener Aufgaben nicht nach. Stattdessen werden Steuersenkungen zu Lasten kommunaler Haushalte beschlossen. 
  • Die permanenten politischen Bekenntnisse zu Bürokratieabbau und Deregulierung stehen im Gegensatz zum realen Handeln, das von einer immer stärkeren rechtlichen Reglementierung und zentralistischen Vorgaben geprägt ist. 
  • Die notwendigen Transformationsprozesse (z.B. Klima- und Verkehrswende, Digitalisierung) werden nicht konzeptionell angegangen. Vielmehr leiden sie unter dem Aktionismus der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene. 
  • Kommunen müssen handlungsfähig bleiben und im Rahmen der verfassungsrechtlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung noch selbst Raum und Ressourcen für die Setzung eigener politischer Prioritäten haben. 
  • Es braucht ein klares Erwartungsmanagement und eine klare Kommunikation in Richtung der Bürgerinnen und Bürger: Die aktuelle Priorität liegt mit Blick auf den zur Verfügung stehenden Ressourcen (insb. finanzielle und personelle) auf dem Erhalt des Status quo, nicht auf dem Ausbau der Daseinsvorsorge. 

Die niedersächsischen Kommunen fordern eine Politik des Machbaren und des Finanzierbaren statt ständig neuer, ungedeckter Versprechungen. 

Beispiel Gesundheitspolitik 

Infolge der steigenden Energiekosten, Inflation und Tarifsteigerungen spitzt sich die wirtschaftliche Lage der Krankenhäuser bundesweit dramatisch zu. Das geltende Recht gewährleistet keine auskömmliche Finanzierung des laufenden Betriebs. Eine Krankenhausreform ist zwar in Vorbereitung, ob die damit verbundene Änderung der Finanzierungssystematik zu einer Verbesserung der Finanzsituation der Krankenhäuser führen wird, bleibt jedoch abzuwarten; jedenfalls käme sie erst in einigen Jahren zum Tragen. Das ist eindeutig zu spät! Allein die niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte werden – ohne Zuständigkeit – in diesem Jahr 600 Millionen Euro für den laufenden Krankenhausbetrieb bereitstellen müssen, um einen Zusammenbruch der stationären Krankenversorgung und des Rettungsdienstes zu verhindern. Neben weiterhin benötigten Kliniken der Grund- und Regelversorgung sind dabei überwiegend Häuser der Schwerpunkt- bis Maximalversorgung betroffen. Die eingesetzten kommunalen Mittel fehlen für dringende Aufgaben wie Kindertagesbetreuung, Schulen und ÖPNV. 

-> Der Bund muss umgehend seiner gesetzlichen Verantwortung zur auskömmlichen Finanzierung der Krankenhäuser nachkommen. Im ersten Schritt bedarf es zwingend eines Vorschaltgesetzes zur Soforthilfe für das Jahr 2023. 

Gleichzeitig versucht der Bund, über das sogenannte Krankenhaustransparenzgesetz Fakten zu schaffen und sich dauerhaft Einfluss auf die den Bundesländern obliegende Krankenhausplanung zu verschaffen. 

-> Die Krankenhausreform des Bundes muss die Planungsverantwortung der Länder respektieren und unseren Krankenhäusern eine verlässliche Perspektive bieten. 

Die Vorstellungen der Regierungskommission des Bundes für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung vom 7. September 2023 zur Reform der Notfall- und Akutversorgung verkennen die Wirklichkeit. Außerdem gefährden sie den funktionierenden Rettungsdienst in Niedersachsen. 

-> Eine notwendige Reform der Notfallversorgung darf die funktionierenden Strukturen des Rettungsdienstes nicht gefährden und muss bei den tatsächlichen Problemen, wie der unzureichenden Steuerung, ansetzen. 

Mit den Versorgungstärkungsgesetzen drängt der Bund die Kommunen immer mehr in die Rolle, mehr Verantwortung für die Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung zu übernehmen, obwohl der Sicherstellungsauftrag in diesem Bereich bei den Kassenärztlichen Vereinigungen liegt. 

-> Der Bund muss die Kassenärztlichen Vereinigungen viel stärker in die Pflicht nehmen, um die ambulante medizinische Versorgung flächendeckend sicherzustellen. Die Zahl der Medizinstudienplätze muss konsequent weiter ausgebaut werden, um den Mangel an Ärztinnen und Ärzten wirksam entgegenzutreten. 

Die Gesundheitsämter werden im Rahmen des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (Pakt ÖGD) seit 2021 personell aufgestockt, modernisiert und vernetzt. Der Bund und die Länder sind in der Pflicht, die Kosten dafür zu erstatten. Der Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst hat für das Jahr 2022 für Niedersachsen die Schaffung von 480 Stellen bei den kommunalen Gesundheitsbehörden vorgesehen. 245 Stellen sollten tatsächlich besetzt werden. Die niedersächsischen Gesundheitsämter sind – ähnlich wie im Jahr 2021 – auch im Jahr 2022 der Aufforderung nachgekommen und haben entsprechend zusätzliches Personal eingestellt. Die Finanzierung dieser Stellen ist durch den Pakt ÖGD jedoch nur bis zum 31. Dezember 2026 gesichert. 

Die kommunalen Spitzenverbände haben in zahlreichen Gesprächen mit dem Land Niedersachsen immer wieder verdeutlicht, dass Bund und Länder in der Pflicht stehen, diese Stellen dauerhaft zu finanzieren. Das Land hat sich bisher gegen eine dauerhafte Finanzierung aus Landesmitteln ausgesprochen, da erwartet werde, dass der Bund diese Kosten übernehme.

-> Das Land muss die Finanzierung des Personalaufwuchses über das Jahr 2026 aus den Landesmitteln hinaus verstetigen, wenn der Bund die Finanzierung einstellt. 

Beispiel Kita 

Die Kommunen wenden seit 2020 jährlich mehr als zwei Milliarden Euro aus eigenen Mitteln für die Kindertagesstätten auf, die Kosten haben sich seit 2012 mehr als verdoppelt. Das Land bleibt bei der Beteiligung an den Personalkosten de facto deutlich hinter den durch das NKitaG vorgegebenen Anteilen zurück. Die jährliche Dynamisierung der Finanzhilfe des Landes für die Kita-Personalkosten ist zwar bis 2025 um ein Prozent auf 2,5 Prozent angehoben worden. Der Steigerungsfaktor gleicht die aktuellen Tarifsteigungen aber nur in geringem Umfang aus und ist zudem befristet. 

-> Das Land muss der tatsächlichen Entwicklung der Personalkosten im Bereich der Erzieherinnen und Erzieher nachkommen und seine Finanzhilfe entsprechend anpassen. Erforderlich sind eine realistische Neubemessung der Jahreswochenstundenpauschale sowie eine dauerhafte Anhebung des Dynamisierungsfaktors der Jahreswochenstundenpauschale auf mindestens 2,5 Prozent jährlich. 

Es besteht nach wie vor ein hoher Investitionsbedarf für die Schaffung von weiteren unbedingt notwendigen Betreuungsplätzen. Hier haben sich Land und Bund mittlerweile komplett aus der Investitionsförderung zurückgezogen. Es gibt für An-, Um- und Neubau von Kindertagesstätten keine neuen Mittel mehr.

-> Das Land muss den Investitionsbedarf bei den Kindertagesstätten anerkennen und wie andere Bundesländer eigene Landesmittel hierfür zur Verfügung stellen. 

Der Fachkräftemangel in den Kindertagesstätten verschärft sich massiv. Einschränkungen der Betreuungszeiten bis hin zu Gruppenschließungen häufen sich landesweit. Der Fachkräftemangel geht mit einem steigenden Betreuungsbedarf einher. 

-> Das Land muss in dieser Situation Abstand von einer dritten Kraft nehmen, solange eine zweite Kraft fehlt. 

Es ist unrealistisch, dass eine vierjährige Ausbildung ohne Vergütung im Vergleich zu anderen Berufsfeldern auf Dauer attraktiv bleiben kann. Das niedersächsische Modell der vergüteten Teilzeitausbildung ist eine Doppelbelastung für die Schülerinnen und Schüler und verlängert die Ausbildungszeit. 

-> Das Land wird aufgefordert, schnellstmöglich eine dreijährige vergütete Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher einzuführen. 

Um dem akuten Fachkräftemangel zu begegnen sind zunächst kurzfristige Maßnahmen erforderlich, damit das System der Kindertagesbetreuung in dem jetzigen Umfang aufrechterhalten werden kann. Hierzu zählt die Abmilderung des Fachkräftemangels durch eine befristete Flexibilisierung der Standards im Kindergarten. 

-> Das Land muss die Möglichkeit einer über mehrere Jahre andauernden unbürokratische Lösung bei den Standards zulassen, um den Fachkräftemangel zumindest abzumildern. 

Beispiel Schule 

Der Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder in Grundschulen ab 2026 ist kaum noch umsetzbar. Hintergrund ist die über lange Zeit unklare Umsetzung in Niedersachsen. 

-> Das Land muss zeitnah die Eckpunkte für die Ganztagsbetreuung in Niedersachsen klären und den rechtlichen Rahmen hierfür schaffen. Dabei müssen sowohl die Investitions- als auch die späteren Betriebskosten der Kommunen mit in den Blick genommen werden. 

Beim wichtigen Thema digitale Bildung fühlen sich Schulen und Schulträger zunehmend im Stich gelassen. Nicht zuletzt befeuert durch den Digitalpakt nimmt die Zahl der digitalen Geräte stetig zu. Die Anschaffung von Tablets, Laptops oder Whiteboards ist allerdings nicht ausreichend. Die Geräte müssen regelmäßig gewartet, fortlaufend auf den neuesten Stand gebracht und nach Ablauf der Nutzungsdauer ersetzt werden. 

-> Die niedersächsische Landesregierung muss eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Digitalisierung an Schulen sicherstellen, einschließlich der Bereitstellung von Mitteln für die Wartung, Aktualisierung und Ersatzbeschaffung digitaler Endgeräte sowie für die IT-Administration. 

-> Dies sollte durch eine klare gesetzliche Regelung bezüglich der Kostentragung im Niedersächsischen Schulgesetz erfolgen, einschließlich der Kostenübernahme für Lehrertablets als Arbeitsmittel durch den Dienstherrn. 

Beispiel Zuwanderung 

Flucht und Vertreibung in Folge des Krieges in der Ukraine haben deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Lehren aus der Flüchtlingskrise 2015/2016 konsequent zu beherzigen. Auch wenn Vertriebene aus der Ukraine selbst Niedersachsen derzeit kaum zugewiesen werden, ist insgesamt ein starker Anstieg der Zugangszahlen nach Niedersachsen zu verzeichnen. Bedingt ist dies durch einen starken Anstieg im Bereich der Asylbewerberinnen und -bewerber, so dass für Niedersachsen in diesem Herbst mit mittlerweile ca. 1000 zu verteilenden Personen pro Woche gerechnet werden muss. In Deutschland ist die Zahl der Asyl-Erstanträge allein in den Monaten Januar bis August 2023 um 77,2 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen. 

-> Der Bund muss seinen Einfluss in Europa nutzen, um eine faire gesamteuropäische Lastentragung bei der Flüchtlingsaufnahme und -verteilung durchzusetzen und das gemeinsame europäische Asylsystem zeitnah zu reformieren. Die vielen illegalen Grenzübertritte und Fehlanreize bei der Asylbeantragung müssen schnell beseitigt werden. 

-> Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss seine Kapazitäten für Anhörungsverfahren im Asylbereich drastisch aufstocken: Mit einer Kapazität von 300 Anhörungen pro Woche und einem erwarteten Zugang von bis zu 1000 Personen wird sich sonst allein in Niedersachsen ein nicht akzeptabler Verfahrensstau ergeben. 

-> Die Verteilung von Menschen auf Kommunen, deren Asylverfahren nach den Dublin-Regeln nicht in Deutschland stattfinden soll, und von Geflüchteten ohne Bleibeperspektive lehnen die niedersächsischen Kommunen ab. 

-> Der Aufbau der eigenen Erstaufnahmeplätze des Landes einschließlich ausreichender Reservekapazitäten muss verstärkt fortgesetzt werden. 

Viele Geflüchtete werden länger bei uns sein. Die niedersächsischen Kommunen haben ihren Anteil an der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der Aufnahme von Vertriebenen und Geflüchteten mit einem hohen personellen und finanziellen Aufwand bewältigt und sind hierfür in erheblichem Umfang in Vorleistung getreten. Um dieser Verantwortung auch weiterhin nachhaltig gerecht werden zu können, bedarf es einer gesicherten und auskömmlichen Finanzierung der entstehenden Kosten, nicht nur für Aufnahme und Unterbringung, sondern auch für den Bereich der Integration. 

-> Die zum Teil ganz erheblichen Vorhaltekosten der Kommunen müssen fair erstattet werden, weil es sich bei Flucht und Vertreibung um weltweite Entwicklungen handelt, die vor Ort nicht zu steuern sind. 

-> Die kommunalen Lasten bei der Integration der Menschen, die zu uns kommen, müssen von Bund und Land auf Dauer refinanziert werden. Als Beispiele sind hier Kitas und Schulen zu nennen, viele andere soziale Bildungsund Unterstützungssysteme werden ebenfalls kommunal verantwortet und sind zusätzlich stark belastet. 

Beispiel Energiewende 

Für das Gelingen der Energiewende fehlt es an Leitungen und Speichermöglichkeiten. Der Ausbau der Wind- und Solarnutzung geht nicht kongruent mit dem Ausbau der notwendigen Leitungen und Speicher einher. Die in den vergangenen zwei Jahren erfolgten Änderungen des Rechts der Energiewende – vor allem im Bau-, Naturschutz- und Raumordnungsrecht – sind in sich bisweilen nicht stimmig. Es kann nicht von einem durchdachten System gesprochen werden. Ein gutes Beispiel sind die Regelungen zum Repowering, die gerade bei den Wind-Vorreiter-Kommunen im Nordwesten Niedersachsens dazu führen, dass eine ordnende Planung erschwert und sogar unmöglich gemacht wird. 

-> Bund und Land müssen dringend die Regelungen zu den Landschaftsschutzgebieten und insbesondere zum Repowering überarbeiten. Dem Leitbild des geordneten und planvollen Energieausbaus ist durchgreifend zu folgen. 

-> Bund und Land müssen endlich einen kongruenten Rahmen setzen, damit die Energiewende gelingen kann. Die in den letzten zwei Jahren verabschiedeten Regelungen im Bau-, Naturschutz- und Raumordnungsrecht sind so anzupassen, dass diese systemisch zueinander passen und vollziehbar sind. 

Während der Bund die Windplanung auf die Jahre 2027 und 2032 ausrichtet, verlangt das Land den Abschluss schon 2026. Gleichzeitig hat das Land den notwendigen Rahmen noch immer nicht gesetzt, der für die Windplanungen Voraussetzung ist. Das Umsetzungsgesetz ist nach über einem Jahr des Erlasses des WindBG noch immer nicht in Kraft. Es mangelt bei Bund und Ländern an einem geordneten, stimmigen und abgestimmten Vorgehen. 

-> Das Land Niedersachsen muss schnellstmöglich das WindBG in Landesrecht übersetzen. Die Bundesziele für 2027 und 2032 sind Eins-zu-eins umzusetzen. 

-> Die landesgesetzliche Pflicht, bis 2026 die Windplanungen abzuschließen, lehnen wir kategorisch ab. 

-> Der Ausbau der Leitungsnetze und der Speicher muss forciert und auf den Ausbau von Wind- und Solarenergienutzung zugeschnitten werden. 

In Regionen, in denen der Leitungsbau besonders stark vorangetrieben wird, weil dort viel überschüssiger erneuerbarer Strom produziert wird, sind die Netzentgelte höher als in den Stromempfängerregionen und bestrafen somit die dort lebenden Bürgerinnen und Bürger und machen das Wirtschaften dort teurer. Dies muss dringend geändert werden. 

-> Vom Leitungsbau betroffene Kommunen müssen einen finanziellen Ausgleich erhalten. 

-> Regionen die besonders viel für die Energiewende leisten, müssen durch niedrigere Netzentgelte profitieren. Das ist auch ein Anreiz für Regionen im Süden Deutschlands, die bisher sich zurückhaltender engagiert haben. 

Bei der Solarenergie hat der Bund mit Einführung der Teil-Privilegierungen im BauGB den Kommunen in weiten Teilen das Planungsinstrument aus der Hand genommen und damit einem ungeordneten Ausbau ohne Rücksicht auf andere Belange wie etwa die Ernährungssicherheit Tür und Tor geöffnet. 

-> Die Teil-Privilegierung von Solarenergieanlagen an Autobahnen und übergeordneten Schienenwegen ist zurückzunehmen. Zumindest braucht es schnell verlässliche Instrumente, die es den Behörden vor Ort ermöglichen, Solarenergieanlagen beispielsweise auf für die Nahrungsmittelproduktion guten Böden zu untersagen. 

Beispiel Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz 

Nach 2022 wird nunmehr auch 2023 eine deutliche Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und Küstenschutz (GAK) vorgeschlagen. Entgegen der Absichtserklärungen des Koalitionsvertrages auf Bundesebene scheint es nicht einmal zu gelingen, die bestehenden Bundesmittel für eine Förderung der Attraktivität von Landwirtschaft und ländlichem Raum sowie für den Küstenschutz zu erhalten. 

-> Das Land Niedersachsen ist gefordert, sich für den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur in den ländlichen Gebieten Niedersachsens einzusetzen, um einer massiven Schwächung der Fläche entgegenzuwirken. Die GAK-Mittel müssen erhalten bleiben. 

Beispiel Digitalisierung 

Die Mitteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Bau und Digitalisierung (MW) vom Juli d. J. Jahres, sich vollständig aus der Finanzierung des Breitbandausbaus zurückzuziehen, kam angesichts der bisher gemeinsam erreichten Erfolge, entsprechender Zusagen u.a. aus dem Koalitionsvertrag sowie Äußerungen des Ministers überraschend und ist nicht nachvollziehbar. 

Da der bisher fest eingeplante Finanzierungsanteil des Landes entfällt, wird den Kommunen die Planungssicherheit für den weiteren Ausbau genommen. Die Kommunen sind in ihrer derzeitigen Situation nicht in der Lage, die fehlende Gesamtsumme von 650 Millionen Euro aufzubringen. Zudem besteht die Gefahr, dass die für Niedersachsen vorgesehenen Bundesmittel nicht abgerufen werden können und somit verfallen oder in andere Bundesländer fließen. Damit verzichtet Niedersachsen als einziges Bundesland auf Bundesmittel in Höhe von 1,3 Milliarden Euro. Hinzu kommt, dass sowohl beim eigenwirtschaftlichen Ausbau als auch bei Mobilfunklösungen, die beide vom MW als Alternativen zur Förderung dargestellt werden, die Kommunen mangels Beauftragung des Breitbandzentrums Niedersachsen-Bremen (BZNB) auf sich allein gestellt sind. 

-> Die Förderung des Glasfaserausbaus durch das Land Niedersachsen muss uneingeschränkt fortgesetzt werden. 

-> Um den flächendeckenden Breitbandausbau weiter voranzutreiben, muss das Breitbandkompetenzzentrum, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, weiter gestärkt werden. Neben der notwendigen Erweiterung des Beratungsauftrages zum eigenwirtschaftlichen Ausbau muss hier auch die Beratung zum Mobilfunkausbau sichergestellt werden. 

Die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes kommt nach wie vor nur langsam in Schwung. Die bisherige Umsetzungsgeschwindigkeit des Kommunalvertretermodells ist zu langsam. Die Übernahme der Betriebskosten für die Einer-für-alle-Leistungen (EfA) für die Jahre 2023 und 2024 durch das Land schafft keine ausreichende Planungssicherheit, da weiterhin nur wenige EfA-Leistungen nachgenutzt werden können und die Kommunen die Umsetzungskosten in der Regel selbst tragen müssen. Zudem steht den teilweise fünfstelligen jährlichen Kosten für einzelne EfA-Dienste nur eine niedrige einstellige Zahl entsprechender Online-Anträge gegenüber. 

Bisher war das Servicekonto Niedersachsen durch das NDIG (§ 4 Abs. 2) verbindlich vorgeschrieben und wurde von den Kommunen angebunden. Das Servicekonto Niedersachsen soll nun nach aktueller Planung des Landes zum 31. März 2024 abgeschaltet werden und steht damit ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung. Die Kommunen sollen stattdessen die bundesweit gültige BundID nutzen. Durch diese Umstellung müssen die Anschlusskosten von den Kommunen erneut gezahlt werden. 

-> Wir bekräftigen die Forderung nach finanzieller und zeitlicher Planungssicherheit („Ankunftstafel“) für EfA-Leistungen. 

-> Das Land muss seiner Verantwortung für die Umsetzung des Kommunalvertretermodells im notwendigen Umfang nachkommen. 

-> Das Land muss sich unabhängig von der Frage der Übernahme der Betriebskosten auch an den Kosten der Umsetzung der EfA-Leistungen in den Kommunen beteiligen. 

Die Resonanz der Kommunen auf die Angebote des Landes im Bereich der Cybersicherheit zeigt, dass hier ein großes Vertrauen in das Land besteht und andererseits die Kommunen auf diese Unterstützung angewiesen sind. Eine Verstetigung der Mittel im gemeinsamen Kampf gegen Cyber-Angriffe und für vertrauenswürdige Behörden im Landesdatennetz muss daher auch im Interesse des Landes liegen. 

-> Das N-CERT ist mit zusätzlichen Ressourcen auszustatten, um hier auch zukünftig ein starkes Netzwerk betreiben zu können und die Kommunen umfassend in ein Lagebild einzubinden. 

Beispiel Finanzen 

Während in der Corona-Pandemie Bund und Länder noch umfassende Hilfen für die Kommunen gewährt haben, wurde in der jüngsten Zeit der gegenteilige Weg beschritten. Der Bund ist mehr und mehr dabei, bislang für von ihm verursachte Kosten der Kommunen die Finanzierung zu kürzen oder zu streichen. Obwohl der Bund für die Flüchtlings- und Asylpolitik verantwortlich ist, will er von einer Finanzierung der hierdurch entstehenden erheblichen Kosten absehen. Gleichzeitig sollen die Kommunen seine Steuergeschenke überproportional mitbezahlen. 

Auf Landesebene wird die – noch von der Vorgängerregierung beschlossene – Streichung der Landeszuweisung nach dem Nds. Ausführungsgesetz zum SGB II (AG SGB II) in Höhe von 142 Millionen Euro ab 2024 auch von den neuen Mehrheiten kritiklos umgesetzt. Gleichzeitig hält das Land mit exorbitanten Überschüssen in seinem Haushalt seit 2022 wieder die Schuldenbremse ein, während die Kommunen mehr und mehr ins Defizit rutschen. Ein Grund hierfür ist, dass Niedersachsen den am geringsten dotierten Finanzausgleich pro Kopf aller 13 Flächenländer hat. Die Städte, Gemeinden und Landkreise erhalten mit 693 Euro je Einwohner 270 Euro je Einwohner weniger als der Durchschnitt der Kommunen im Bundesgebiet. 

-> Der Bund ist aufgefordert die von ihm verursachten Kosten insbesondere im Bereich der Flüchtlinge dauerhaft zu finanzieren und auf teure Steuergeschenke zu Lasten der Kommunalhaushalt zu verzichten. 

-> Das Land ist aufgefordert die Streichung der Landeszuwendung nach dem SGB II zurückzunehmen und gleichzeitig den kommunalen Finanzausgleich deutlich zu erhöhen. 

Diese Forderungen werfen Schlaglichter, wie die großen gesellschaftlichen Herausforderungen für unser Gemeinwesen konkret anzugehen sind. Sie sind zu bewältigen, wenn sich die staatlichen Ebenen gemeinsam auf ein Vorgehen verständigen. Die geschäftsführenden Präsidien der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens nehmen wahr, dass Ihre Stimme gehört wird. Beispiele sind die positiven Signale für eine Verlängerung der Amtszeit der Hautverwaltungsbeamtinnen und -beamten im Land, die beabsichtigte Wertschöpfungsabgabe für erneuerbare Energien oder jüngst auf Bundesebene der erklärte Verzicht auf die Verlagerung der Arbeitsförderung für unter 25-Jährige, der nunmehr auch umgesetzt werden muss. Das stärkt das Vertrauen in die Problemlösungskompetenz und die Verlässlichkeit der Politik. Die Kommunen sind bereit zu einer Politik des Machbaren.