NLT-Aktuell – Ausgabe 14

Änderung der Niedersächsischen Bauordnung

Die Niedersächsische Landesregierung hat am 9. April 2024 den Gesetzentwurf zur Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) beschlossen und dem Landtagzugeleitet. Es ist die Absicht der Landesregierung, dass das Gesetzgebungsverfahrennoch vor der Sommerpause – also im Juni – zum Abschluss gebracht wird. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (AG KSV) hatte zum Referentenentwurf miteiner außergewöhnlich umfangreichen Stellungnahme kritisch vorgetragen. Es bleibt zukonstatieren, dass einem Großteil der kritisierten Punkte nicht durchgreifend abgeholfenwurde.

Unverändert sieht der Gesetzentwurf etwa die Abschaffung der Pflicht zur Herstellung notwendiger Einstellplätze (für Wohnungsbauten) und die Einführung einer Genehmigungsfiktion bei Bauanträgen vor. Hinsichtlich der Einführung der Genehmigungsfiktion ist die Landesregierung jedoch der kommunalen Forderung gefolgt, dann konsequenter Weise dieWahlmöglichkeit nach § 62 Abs. 10 NBauO zu streichen. Auch im Themenfeld des Brandschutzes hat die Landesregierung ihre bisherige Linie gehalten.

Allerdings sieht der Gesetzentwurf hinsichtlich der sogenannten Umbauordnung nunmehrvor, dass die erheblichen Vereinfachungen und Abweichungen vom bisherigen Recht weitgehend in den Verantwortungsbereich der Bauherren und Entwurfsverfasser überführtwird. Die Inanspruchnahme des § 85a NBauO-neu soll damit verbunden werden, zwingend das Mitteilungsverfahren zu wählen. Eine Rosinenpickerei (Vorlage nach dem Freistellungsrecht der Umbauordnung, aber mit dem Gütesiegel der Bauaufsicht) würde damitunterbunden. Die weitgehende Liberalisierung hätte dann als zweite Seite der Medailleeine Verantwortungsübertragung zur Folge. Zudem wurde der Anwendungsbereich derUmbau-Normen im Hinblick auf Sonderbauten eingeschränkt. Damit folgte die Landesregierung dem Vortrag der kommunalen Stellungnahme in diesem Punkt.

Kommunaler Finanzausgleich 2024

Das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) hat die Berechnungsgrundlagen für denkommunalen Finanzausgleich mit den Grundbeträgen bekannt gegeben. Der kommunaleFinanzausgleich 2024 beläuft sich danach unter Berücksichtigung einer Steuerverbundabrechnung von -26,8 Millionen Euro auf 5.578,8 Millionen Euro. Dies sind rund 45,7 Millionen Euro weniger als in der endgültigen Festsetzung für das Jahr 2023. Der kommunaleFinanzausgleich sinkt damit zum ersten Mal seit 2010 wieder gegenüber dem Vorjahr.Während das Land im Jahr 2023 noch mit leichten Mehreinnahmen gegenüber 2022 rechnen konnte, wirkte sich beim kommunalen Finanzausgleich besonders der deutliche Rückgang bei der Grunderwerbsteuer aus, an der die Kommunen mit 33 Prozent beteiligt sind.

Der Grundbetrag der Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben unter Einbeziehungder Finanzausgleichsumlage stieg gleichwohl auf 1.377,16 Euro (Vorjahr: 1.354,82 Euro).Der Grundbetrag für Schlüsselzuweisungen für Kreisaufgaben erhöhte sich auf 676,85Euro (Vorjahr: 670,73 Euro). Hintergrund war ein weiterer Anstieg der Steuerkraftmesszahlfür Schlüsselzuweisungen für Gemeindeaufgaben in Niedersachsen insgesamt auf 10,5Milliarden Euro für den Finanzausgleich 2024 (Vorjahr: 10,0 Milliarden Euro). Der Durchschnitt der Soziallasten 2021/2022 sank gegenüber dem Vorjahr um rund 37 MillionenEuro auf 1.027 Millionen Euro.

Oberverwaltungsgericht bestätigt Urteil zu erhöhter Kreisumlage

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Nds. OVG) hat mit Urteil vom 5. März2024 (10 LC 307/23) die Revision des Landkreises gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 15. März 2023 zurückgewiesen und damit die Unzulässigkeit der Erhebung einer erhöhten Kreisumlage bei gekündigter Kita-Vereinbarung durch eine Gemeinde nach § 15 Abs. 4 Niedersächsisches Finanzausgleichsgesetz (NFAG) in der biszum 31. Oktober 2021 geltenden Fassung bestätigt. Hintergrund war eine in der Nachtragshaushaltssatzung festgesetzte Mehrbelastung bei der Kreisumlage einer Gemeinde,die die Vereinbarung über Kindertagesstätten gekündigt hatte. Das Gericht hat bei der Beurteilung die beim Kreistagsbeschluss maßgebliche Rechtslage zugrunde gelegt.

Das Nds. OVG stellt zunächst grundsätzlich fest, dass eine Differenzierung des Kreisumlagesatzes nach § 15 Abs. 1 und 4 NFAG a.F. anhand des Kriteriums der Übernahme vonJugendhilfeleistungen durch die Gemeinde grundsätzlich keinen rechtlichen Bedenken inBezug auf höherrangiges Recht begegnet. Insbesondere verstoße eine solche Regelungnicht gegen das Gebot der interkommunalen Gleichbehandlung. Im Konkreten sieht dasGericht dann aber einen Verstoß gegen § 15 Abs. 4 NFAG a.F. Nach dem Wortlaut knüpfe die Regelung an das Vorliegen von Vereinbarungen an. Eine solche Vereinbarung seizwar zwischen dem beklagten Landkreis und den meisten kreisangehörigen Kommunenim Jahr 2019, nicht jedoch zwischen Klägerin und Beklagten geschlossen worden.

Sodann wendet sich das Gericht der Neufassung des § 15 Abs. 4 NFAG vom 13. Oktober2021 zu, die für das in Rede stehende Verfahren allerdings noch nicht maßgeblich war.Das Gericht hat darauf hingewiesen, dass in der Gesetzesbegründung festgestellt werde,die Neufassung des Gesetzes räume mehr Flexibilität ein und erlaube es, eine Anpassungder Kreisumlage auch gegenüber den Kommunen vorzunehmen, mit denen keine Vereinbarung geschlossen worden sei. Das Nds. OVG hat daher grundsätzlich anerkannt, dassder Abschluss von Kita-Vereinbarungen bzw. der Nicht-Abschluss durch einzelne Städteund Gemeinden durchaus ein sachliches Kriterium für die Erhebung einer Mehr- oder Minderbelastung ist. Insoweit verweist das Gericht auch auf das gemeinsame Positionspapierder Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände vom 31. Mai 2018, das jenach Ausgestaltung eine Mehr- oder Minderbelastung bei der Kreisumlage als möglichesReaktionsinstrument ansieht. Lediglich der einengende Wortlaut des § 15 Abs. 4 NFAGalter Fassung hat bei dem konkret zugrundeliegenden Sachverhalt – einer Mehrbelastungfür eine Gemeinde ohne Kita-Vertrag – zu einem für den Landkreis negativen Ergebnis geführt.

Ausfertigung des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis

Das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften wurde am 27. März 2024 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BR-Drs. 92/24) undtrat zum 1. April 2024 in Kraft. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz einen massivenbürokratischen Aufwand in Kontrolle und Vollzug mit sich bringen wird. Der Anbau und dieAbgabe von Cannabis sind nach § 11 KCanG erlaubnispflichtig. Für die Erteilung der Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 KCanG sowie für die behördliche Überwachung nach § 27 Abs. 1KCanG sind gemäß § 33 KCanG die Behörden des Landes örtlich zuständig, in dem dieAnbaugemeinschaft ihren Sitz hat. Dessen Absatz 3 ermächtigt die Landesregierungen,durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes zu bestimmen. Die Landesregierungen können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung aufandere Behörden des Landes übertragen.

Derzeit liegen keine Hinweise dazu vor, dass das Land Niedersachsen hier eine Kommunalisierung anstrebt. Sollte die Landesverordnung jedoch die Landkreise und kreisfreienStädte als zuständige Behörden bestimmen, muss nach Einschätzung der Geschäftsstelledes Niedersächsischen Landkreistages im Rahmen des Konnexitätsprinzips zwingendeine auskömmliche Erstattung einschließlich der entstehenden Personalkosten erfolgen.

Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune

Nach Informationen des Deutschen Landkreistages ist am 21. März 2024 der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune – Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) – bekannt geworden. In dieser Form soll er in dieRessortabstimmung innerhalb der Bundesregierung gegangen sein. Darin enthalten sindMaßnahmen, die auf eine bessere gesundheitliche Versorgung in den Kommunen abzielen sollen. Unter diesen Maßnahmen fällt insbesondere die Vereinfachung des Prozesseszur Gründung kommunaler medizinischer Versorgungszentren (MVZ) mit dem Ziel, die bestehende Versorgungsinfrastruktur zu festigen. Ebenso wird angestrebt, den Zugang zurpsychotherapeutischen Betreuung für Kinder und Jugendliche zu verbessern. Zusätzlichwerden Konzepte wie die Etablierung von Gesundheitsregionen, welche die regionalen gesundheitlichen Belange verstärkt in den Fokus rücken sollen, sowie die Ausweitung vonBonusprogrammen zur Stärkung der hausarztzentrierten Versorgung thematisiert. Besonders hervorzuheben ist die geplante Implementierung von Gesundheitskiosken in benachteiligten Regionen und Stadtteilen. Diese Kioske sollen eine niedrigschwellige Anlaufstellefür Beratungs- und Unterstützungsleistungen darstellen. Ihr Hauptziel liegt darin, das individuelle Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung zu stärken und auf lokale Bedürfnisse einzugehen.

Bereits zu dem im Sommer 2023 kursierenden ersten Entwurf hatte die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände auch gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen mit Schreiben vom 20. Juli 2023 und 18. Dezember 2023 gegenüber dem Niedersächsischen Gesundheitsminister, Dr. Andreas Philippi, kritisch Stellunggenommen. Nach erster Durchsicht wird auch der aktuelle Entwurf von der Geschäftsstelledes Niedersächsischen Landkreistages als ungeeignet bewertet, die strukturellen Probleme in der Regelversorgung zu lösen.

Landrat Rainer Rempe neuer Vorsitzender der KrankenhausgesellschaftRainer

Rempe, seit 2014 Landrat des Landkreises Harburg und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), wurde am 8. April 2024für vier Jahre zum neuen Vorsitzenden der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft(NKG) gewählt. Er vertritt damit den Dachverband der niedersächsischen Krankenhäuserauch im Vorstand der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Rempe löst im Vorsitz turnusgemäß Dr. Hans-Heinrich Aldag vom Verband der Privatkliniken ab. Im 17 Personen zählenden Vorstand der NKG werden die Landkreise und die Region Hannover als Träger vonKrankenhäusern neben Landrat Rempe weiterhin durch Landrat Sven Ambrosy (LandkreisFriesland) und Regionspräsident Steffen Krach (Region Hannover) vertreten.

Finanzierung der Betreuungsvereine

Die Betreuungsvereine stellen in Niedersachsen einen wichtigen Baustein bei der Deckung des Bedarfs an rechtlicher Betreuung dar. Mit der Umsetzung der Betreuungsrechtsreform wurden ihnen zusätzliche Aufgaben der Querschnittsarbeit zugewiesen, fürdie nunmehr ein in § 17 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) gesetzlich normierter Anspruch auf eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung mit öffentlichen Mitteln zur Wahrnehmung der ihnen nach § 15 Abs. 1 BtOG obliegenden Aufgaben besteht.

In Niedersachsen werden Betreuungsvereine derzeit durch das Land über die Richtlinieüber die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Betreuungsvereinen gefördert,deren Anpassung nunmehr im Niedersächsischen Ministerialblatt veröffentlicht wurde. Unter anderem in einem Gespräch mit Ministerin Dr. Kathrin Wahlmann am 1. Februar 2024hat das Niedersächsische Justizministerium der Arbeitsgemeinschaft der kommunalenSpitzenverbände (AG KSV) seine Überlegungen zu einer möglichen Neuregelung der Finanzierung dargelegt. Auf der Grundlage der bisherigen Gespräche hat die AG KSV derJustizministerin nun mit Schreiben vom 3. April 2024, vorbehaltlich der Befassung in denGremien, einen Vorschlag unterbreitet, der eine niedersächsische Regelung analog der inHessen gefundenen Ausgestaltung gemäß § 6 des Hessischen Ausführungsgesetzes zumBetreuungsrecht (HAG/BtR) vorsieht.

Zudem haben die kommunalen Spitzenverbände darauf hingewiesen, dass die kommunale Förderung derzeit und auch nach der fortgeschriebenen Förderrichtlinie des Landesmit den Mitteln der Landesförderung verrechnet wird, sofern der kommunale Förderbescheid auf eine Förderung der Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine abstellt. In vielenFällen führt dies dazu, dass die finanzielle Ausstattung der Betreuungsvereine nicht verbessert wird und Landesmittel ungenutzt bleiben. Es wurde angemahnt, dass in jedem Falleine solche Anrechnung zukünftig ausgeschlossen sein muss.

Weiterentwicklung der Qualität in der Kindertagesbetreuung

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) hat als Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung gemeinsam mit den zuständigen Länderressorts undden kommunalen Spitzenverbänden Weiterentwicklungen in der Qualität der Kindertagesbetreuung diskutiert. Im Ergebnis ist ein Bericht einer Arbeitsgruppe entstanden. Die kommunalen Spitzenverbände haben deutlich gemacht, dass Sie die Verankerung neuer Standards in Kindertagesbetreuung auf Bundesebene, die zu Personalmehrbedarfs führen, grundsätzlich ablehnen. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Vielzahl neuer Forderungen und Erwartungen an personelle und sachliche Standards nicht ansatzweise finanziellund personell unterlegt werden können.

Das BMFSJ und die Jugend- und Familienministerkonferenz der Länder (JFMK) hatten miteinem sogenannten Letter of Intent (LoI) vom 27. März 2024 Grundsätze der Weiterentwicklung der Qualität verabredet; die kommunalen Spitzenverbände waren nicht beteiligt.Darin wird unter anderem deutlich, dass die Verankerung einer auf Dauer angelegten Finanzierung des Bundes die Voraussetzung für die Zustimmung der Länder und eine Einigung auf bundesweit weitere Schritte zur Qualitätssteigerung im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsgesetzes ist. Zudem wird auf die notwendige Zahl an zusätzlichen qualifizierten Fachkräften hingewiesen. Angesichts des eklatanten Fachkräftemangels in der gesamten Kinder- und Jugendhilfe ist es aus Sicht des Niedersächsischen Landkreistagesvöllig unrealistisch, derzeit weitere Qualitätsverbesserungen in der Kindertagesstättenbetreuung anzustreben. Vielmehr müssen – vorübergehende – Senkungen der Standards inden Blick genommen werden, um die stetig steigenden Kinderbetreuungsbedarfe noch imerforderlichen Umfang decken zu können. Hierzu ist die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände in Gesprächen mit dem Niedersächsischen Kultusministerium.

Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) hat den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Im Einzelnen führt der Deutsche Landkreistag aus: DerEntwurf enthält im Rahmen eines neuen „Stammgesetzes“ (Gesetz zur Einrichtung eineroder eines unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindernund Jugendlichen) in Artikel 1 Regelungen zur weiteren Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt und sexuellen Ausbeutung an Kindern und Jugendlichen. Insbesondere sollder oder die vom Parlament gewählte unabhängige Bundesbeauftragte mit einem dort angesiedelten Betroffenenrat und einer unabhängigen Aufarbeitungskommission gesetzlichgeregelt werden. Zudem werden weitere Regelungen zur Sicherstellung der Präventionund zur Unterstützung der Betroffenen vorgesehen. Im SGB VIII sollen ebenfalls Änderungen erfolgen, um die Aufarbeitung von Fällen und die damit verbundenen Rechte undPflichten sowie den Umgang mit Sozialdaten zu regeln. Darüber hinaus soll im Gesetz zurKooperation und Information im Kinderschutz eine Regelung zur Beratung im medizinischen Kinderschutz aufgenommen werden. Demnach soll das BMFSFJ ein telefonischesBeratungsangebot im medizinischen Kinderschutz bei Anhaltspunkten für die Gefährdungdes Wohls eines Kindes oder eines Jugendlichen durch insoweit erfahrene Ärztinnen undÄrzte sicherstellen.

Diskussionsentwurf für ein Gewalthilfegesetz

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat demDeutschen Landkreistag einen Diskussionsentwurf für ein Gewalthilfegesetz übersandt,der die Umsetzung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag nach einem bundeseinheitlichen Rechtsrahmen für den Schutz vor Gewalt für jede Frau und ihre Kinder sowie füreine verlässliche Finanzierung von Frauenhäusern enthält. Dazu soll es einen eigenen individuellen Rechtsanspruch geben.

Kernelement des Gesetzes soll ein individueller Rechtsanspruch auf Schutz und Beratungbei häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt sein, wobei kein Anspruch auf Schutzoder Beratung in einer bestimmten Einrichtung besteht. Die Länder sollen verpflichtet werden, die Erfüllung des Anspruchs zu gewährleisten und ein bedarfsgerechtes, niedrigschwelliges, fachlich-qualitatives Angebot sicherzustellen. Es soll eine Ausgangsanalyse und eine Entwicklungsplanung der Länder zu Versorgungsdichte und Angeboten nachdem tatsächlichen Bedarf durchgeführt werden, erstmalig 2027 mit Blick auf ein für 2030geplantes Inkrafttreten des Rechtsanspruches. Die Leistungen des Gewalthilfegesetzessollen insbesondere den Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und dem AsylbLGvorgehen. Dazu ist auch die Aufhebung von § 36a SGB II vorgesehen, der eine Kostenerstattung bei Aufenthalt im Frauenhaus durch das bisher örtlich zuständige Jobcenter regelt. Ein Nachrang des Gewalthilfegesetzes soll demgegenüber zum SGB VIII bestehen.

Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 1. Februar 2023 – 1 BvL7/18 – die Regelung des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017über die inländische Unwirksamkeit einer im Ausland wirksam geschlossenen Ehe mit einer Person, die bei der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, für mitdem Grundgesetz unvereinbar erklärt. Es hat den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30.Juni 2024 eine Neuregelung zu treffen. Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat in derFolge einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Schutz Minderjähriger bei Auslandsehen übermittelt.

Der Deutsche Landkreistag informiert zu den wesentlichen Inhalten des Entwurfs wie folgt:Die geltenden Regelungen im § 1303 Satz 2 BGB und Artikel 13 Absatz 3 Nr. 1 EGBGB,nach denen Ehen unter Beteiligung eines noch nicht 16 Jahre alten Verlobten nach deutschem Recht unwirksam sind, werden beibehalten und in § 1305 BGB-E um Unterhaltsansprüche zu Gunsten der bei Eheschließung noch nicht 16-jährigen Personen und eine Heilungsmöglichkeit in Bezug auf den Mangel der fehlenden Ehemündigkeit ergänzt.

Etwaigen aufgrund der rückwirkenden Wirksamkeit eintretenden abstammungsrechtlichenFiktionen wird durch § 1305 Absatz 3 BGB-E Rechnung getragen. Besteht die Vaterschafteines anderen Mannes für das Kind oder ist dieses Kind betreffend eine gerichtliche Entscheidung über die Annahme als Kind rechtskräftig geworden, bleibt es bei diesen abstammungs- oder adoptionsrechtlichen Zuordnung.

Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Anfechtung der (rechtlichen) Vaterschaft durch den leiblichen Vater(§ 1600 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BGB) für verfassungswidrig erklärt. Die Vorschrift bleibt biszur Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30. Juni 2025 in Kraft.

In seinem Urteil stellt das BVerfG klar, dass auch der (nur) leibliche Vater Träger des Elterngrundrechts ist, dass mithin mehr als nur zwei Personen Eltern im Sinne des Grundrechts sein können. Der zur Ausgestaltung der Elternschaft angehaltene Gesetzgeberkönne diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben dadurch Rechnung tragen, dass er dreiPersonen (der Mutter sowie dem rechtlichen und leiblichen Vater) die (rechtliche) Elternschaft zuerkennt. Verzichtet er – wie das im geltenden Recht derzeit der Fall ist – aufdiese Option, muss er dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stellen, dass ihmgrundsätzlich und hinreichend effektiv die Möglichkeit eröffnet, (auch) die rechtliche Vaterschaft zu erlangen. Diesem Erfordernis wird die Regelung in § 1600 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1BGB nach Auffassung des BVerfG nicht gerecht.

Die Vorschrift beeinträchtige leibliche Väter vor allem deshalb unangemessen in ihrem Elterngrundrecht, weil sie das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zum rechtlichenVater als Anfechtungshindernis ausgestalte, das Bestehen solcher Beziehungen zwischendem leiblichen Vater und seinem Kind dagegen ebenso wenig würdige wie ein frühzeitigesund konstantes Bemühen des leiblichen Vaters um die rechtliche Vaterschaft. Darüber hinaus kritisiert das Gericht, dass leibliche Väter nur unzureichende Möglichkeiten haben, aufden Erfolg ihres Anfechtungsbegehrens Einfluss zu nehmen. Der Erfolg oder Misserfolgeines Anfechtungsantrags sei vielmehr häufig von Zufällen der zeitlichen Abfolge der Ereignisse, dem Willen der Mutter, den Einwirkungsmöglichkeiten des Jugendamtes und derAuslastung der Familiengerichte abhängig.

Gesetzentwurf zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie

Das Bundeswirtschaftsministerium, das Bundesbauministerium und das Bundesumweltministerium haben einen gemeinsamen Entwurf zur Umsetzung der Erneuerbare-EnergienRichtlinie (RED III) vorgelegt. Damit sollen die planungs- und genehmigungsrechtlichenBestimmungen, die auf EU-Ebene vereinbart worden sind, in den Bereichen Windenergiean Land sowie Solarenergie umgesetzt werden. Dafür werden Änderungen im Windenergieflächenbedarfsgesetz, Bundesimmissionsschutzgesetz, Baugesetzbuch, Raumordnungsgesetz, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung und Erneuerbare-EnergienGesetz vorgenommen.

Gegenstand des Entwurfs sind dabei insbesondere folgende Regelungsinhalte:

  • Die Vorgaben zur Ausweisung sogenannter Beschleunigungsgebiete für Windenergiean Land und Solarenergie werden durch Änderungen im BauGB und ROG (Art. 4 und5 des Entwurfs) umgesetzt. Dabei wird auch für Solarenergieanlagen und zugehörigeEnergiespeicher die Möglichkeit geschaffen, auf höherer Planungsebene Gebiete vorzusehen, die dann als Beschleunigungsgebiete ausgewiesen werden können.
  • Die durch die Richtlinie vorgesehenen Erleichterungen im Genehmigungsverfahren inBeschleunigungsgebieten für den Bereich der Windenergie an Land und Solarenergiesollen – soweit sie der bundesrechtlichen Gesetzgebungskompetenz unterliegen – imWindBG (Art. 1) umgesetzt werden.
  • Darüber hinaus werden die von der Richtlinie vorgesehen Beschleunigungsmaßnahmen für alle immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Vorhaben auch außerhalb von Beschleunigungsgebieten im BImSchG (Art. 2) umgesetzt.

Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes

Der Deutsche Landkreistag hat gemeinsam mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung desWasserhaushaltsgesetzes Stellung genommen. Dabei wird die Wasserwiederverwendungzur landwirtschaftlichen Nutzung begrüßt. Allerdings wird auf weitere Anwendungsbereiche, wie industrielle Zwecke oder die Bewässerung von öffentlichen Grünflächen, sowieabwasserabgaberechtliche Fragestellungen hingewiesen. Außerdem wird angemahnt,dass die Wiederverwendung von aufbereitetem Abwasser nicht nur in den Schutzzonen Iund II von festgesetzten Wasserschutzgebieten, sondern zum Schutz der Trinkwasserressource auch für die Schutzzone III sowie für sämtliche Trinkwasserschutzgebiete ausgenommen werden muss. Nicht zuletzt werden zusätzliche Erfüllungsaufwände für die kommunale Ebene kritisiert.

Durchführung von Integrationskursen in ländlichen Räumen

Ausnahmeregelungen zur erleichterten Zulassung von Lehrkräften in Integrationskursenlaufen nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, zum 30. Juni 2024 aus. Darüber hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Hauptgeschäftsstelle des DeutschenLandkreistages informiert. Die Ausnahmereglungen hatte das BAMF zu Beginn des Jahres2023 vor dem Hintergrund eines ausgeprägten Mangels erlassen. Der frühzeitige Praxiseinstieg der Lehrkräfte parallel zu Qualifizierungsmaßnahmen werde von allen Beteiligtenpositiv bewertet, schreibt das BAMF nun in seinem diesbezüglichen TrägerrundschreibenNr. 3/24 zur Begründung.