NLT-Aktuell -Ausgabe 04

Kommunalpolitik: Notfallversorgung ist selbst zum Patienten geworden

Eine bessere Steuerung der Notfallversorgung ist eine zentrale Forderung der Landkreise, um den Rettungsdienst zu entlasten und die medizinische Versorgung in der Fläche zu sichern. Das wurde bei einer Konferenz von Kreistagsabgeordneten am 24. Januar 2023 in Hannover deutlich.

„Die Situation in der Notfallversorgung spitzt sich zu“, erklärte der Vizepräsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Cord Bockhop, in einer Pressemitteilung. „Der Rettungsdienst und der Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte müssen dringend miteinander vernetzt werden, sonst droht der Notfallversorgung in den Krankenhäusern der Kollaps“, fasste er Berichte der Kreistagsabgeordneten aus den Landkreisen zusammen. NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer brachte es auf den Punkt: „Die Notfallversorgung ist längst selbst zum Patienten geworden.“

Die Konferenz der Kreistagsabgeordneten in Hannover diente der Vorbereitung der Landkreisversammlung. Diese Zusammenkunft von haupt- und ehrenamtlichen Repräsentantinnen und Repräsentanten der Landkreise findet in diesem Jahr am 9. und 10. März im Landkreis Lüneburg statt. Als Gäste werden unter anderem Ministerpräsident Stephan Weil und Landtagspräsidentin Hanna Naber erwartet.

Landtag missachtet Anhörungsrecht: Klage vor Staatsgerichtshof

Das Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) hat in seiner Sitzung am 26. Januar 2023 eine Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof wegen der Verletzung des Anhörungsrechts durch den Niedersächsischen Landtag beschlossen. „Das ist ein bisher einmaliger Vorgang. Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, weil der Landtag sehenden Auges und ohne Not auf eine Anhörung des kommunalen Spitzenverbandes der 36 Landkreise und der Region Hannover in einer wichtigen Angelegenheit verzichtet hat, obwohl diese aus guten Gründen verfassungsrechtlich gefordert ist,“ erklärte NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer in Hannover.

Auslöser ist der Beschluss des Landtags zur Änderung von § 182 des Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetzes vom 21. September 2022. Dadurch werden Sonderregeln für kommunale Haushalte aus der Corona-Zeit auch zur Bewältigung der finanziellen Auswirkungen des Ukraine-Krieges anwendbar. Das ist schon in der Sache bedenklich: Anstatt die Kommunen hinreichend finanziell auszustatten, eröffnen die Sonderregeln der Landespolitik die Möglichkeit, die Belastungen bei den Kommunen zu belassen und in die Zukunft zu verschieben. Das ist ein erheblicher Eingriff in die Finanzhoheit der Kommunen mit potenziell massiven Folgen.

Entscheidend dabei: Die Regelung wurde eingeführt, ohne dass der NLT als Spitzenverband der Landkreise und der Region Hannover ausreichend Gelegenheit für eine Stellungnahme hatte. „Wir haben in der Corona-Krise vielfach Verständnis für äußerst kurze Anhörungsfristen aufgebracht. Bei dieser Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes bestand aber keinerlei Zeitdruck, die Änderung hätte problemlos später beschlossen werden können“, stellte Meyer fest. Damit ist das entsprechende Gesetz nach Einschätzung des NLT Präsidiums verfassungswidrig, eine Klärung des Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof unausweichlich.

Aufgrund der Bedeutung des Anhörungsrechtes und der weitreichenden Folgen der Landtagsentscheidung vom 21. September 2022 hat das NLT-Präsidium ein zweigleisiges Vorgehen beschlossen: Zum einen werden einige ausgewählte Landkreise eine Kommunalverfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof erheben. Zum anderen klagt der NLT selbst wegen der Verletzung seines Anhörungsrechts. Hier geht es um die verfassungsrechtliche Rolle des NLT bei der Vertretung der Interessen der Landkreise sowie der Region Hannover.

Das NLT-Präsidium hat die betreffenden Landkreise sowie die Region Hannover nun gebeten, die notwendigen Beschlüsse in ihren Gremien herbeizuführen. Die gemeinsame Vertretung der Interessen der Landkreise und des NLT hat der Göttinger Staatsrechtler Prof. Dr. Thomas Mann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, übernommen. Mit dem Einreichen der Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof ist bis März 2023 zu rechnen.

Kindergrundsicherung I: DLT-Positionspapier

Das Präsidium des Deutschen Landkreistages (DLT) hat das Positionspapier „Anforderungen an eine eigenständige Kindergrundsicherung“ verabschiedet. Es steht auf den Webseiten des DLT bereit. Das Papier beschreibt aus Sicht der Landkreise, die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende, die Sozialhilfe, die Kinder- und Jugendhilfe, das Wohngeld, das Elterngeld, das Schüler-BAföG und weitere kind- und familienbezogene Leistungen verantwortlich sind, die maßgeblichen Ansatzpunkte bei einer eigenständigen Kindergrundsicherung. Aufbereitet werden:

– grundsätzliche Fragen zur Vermeidung von Kinderarmut,

– konkrete Anforderungen für eine neue Kindergrundsicherung,

– die organisatorische Anbindung einer neuen Leistung und

– Alternativen zur Schaffung einer neuen Kindergrundsicherung.

Vor dem Hintergrund der zu gewährleistenden Ortsnähe für persönliche Beratung und der direkten Verknüpfung mit weiteren kommunalen Unterstützungsleistungen sieht das Papier die Leistungsgewährung am besten auf der kommunalen Ebene angesiedelt. Dabei müssen auch die vielen Sach- und Dienstleistungen in den Blick genommen werden, nicht zuletzt die Bedarfe für Bildung und Teilhabe. In Betracht kommt auch, die Kindergrundsicherung durch all diejenigen Behörden in den jeweiligen Leistungssystemen zu erbringen, die bereits heute Leistungen für die Kinder und insbesondere für die Eltern erbringen. Zu überlegen ist schließlich eine Differenzierung zwischen Garantiebetrag und Zusatzbetrag. Eine Bündelung der gesamten eigenständigen Kindergrundsicherung bei der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit wird dagegen abgelehnt.

Auf Empfehlung des NLT-Jugend- und Sozialausschusses hat sich das Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) den Inhalt des DLT-Papiers am 26. Januar 2023 ausdrücklich zu eigen gemacht.

Kindergrundsicherung II: BMFSFJ-Eckpunkte zur Ausgestaltung

Das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat Eckpunkte zur Ausgestaltung der Kindergrundsicherung entworfen, die derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden. Die Sorge des Deutschen Landkreistages (DLT) vor Doppelstrukturen und neuen Schnittstellen für den Personenkreis der bedürftigen Kinder wird bestärkt. Der Entwurf der Eckpunkte umreißt auf elf Seiten bereits sehr kleinteilig folgende Punkte:

– Ziele

– Leistungskomponenten

– Einkommensunabhängiger Garantiebetrag

– Einkommensabhängiger Zusatzbetrag

– Neudefinition kindliches Existenzminimum

– Vollzugsbehörde

– Chancen der Digitalisierung nutzen

– Beratung und Information

– Schnittstelle zum Einkommensteuerrecht

– Kinder- und Jugendbeteiligung

– Quantifizierung und Finanzierung

Entgegen der Forderung des DLT sehen die Eckpunkte eine eigenständige neue Leistung in der Gesamtverantwortung der Bundesagentur für Arbeit vor. Zugleich sollen bedürftige Kinder aber weiterhin aktivierende Leistungen nach dem SGB II erhalten und auch ihre Eltern weiterhin vom Jobcenter betreut werden. Die Kindergrundsicherung soll eine Kinderwohnkostenpauschale gemäß dem jeweils aktuellen Existenzminimumbericht (derzeit 120 Euro) enthalten. Darüberhinausgehende Bedarfe der Kinder und Wohnkosten der Familien sollen über die Eltern abgedeckt werden. Zur Gestaltung der Schnittstelle soll eine automatische Datenübermittelung über den Bürgergeldbezug der Eltern von den Jobcentern an die Kindergrundsicherungsstelle erfolgen.

Dies führt zu Doppelstrukturen und neuen verwaltungsaufwändigen Schnittstellen. Die vom DLT geforderte Prämisse einer einfachen und praktikablen Umsetzung wird für den Personenkreis der bedürftigen Kinder nicht erreicht. Anstelle des Abbaus unnötiger bürokratischer Strukturen wird die Komplexität noch verschärft, indem die Zahl der für die Kinder und ihre Familien zuständigen Behörden verdoppelt wird.

Künftige Ausgestaltung der Breitbandförderung

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat Eckpunkte eines Konzepts für die Breitbandförderung vorgelegt. Danach soll in bestimmten Gebieten die Verbindlichkeit des Markterkundungsverfahrens gelockert werden. Vorgesehen ist des Weiteren die Einführung sogenannter kommunaler Branchendialoge. Vor allem sollen die Fördermittel vorrangig in Gebiete mit besonderem Nachholbedarf gelenkt werden. Die seitens des Bundes für neue Förderprojekte zur Verfügung gestellten Mittel – derzeit jährlich 3 Milliarden Euro – sollen auf Länderbudgets verteilt, Förderanträge aber weiterhin durch die Projektträger des Bundes bewilligt werden.

In der kommenden Woche soll der Förderbeirat ein weiteres Mal zusammentreten. Über die dann erzielten Ergebnisse wird an dieser Stelle erneut berichtet. Das BMDV strebt einen Start des Förderprogramms zum 1. April 2023 an. Ob und wann Anträge bewilligt werden können, hängt allerdings auch davon ab, wann die Länder ihre Kofinanzierungsrichtlinien verabschieden.

Die Geschäftsstelle des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) bewertet den Entwurf kritisch und sieht in den vorgesehenen regulativen Erweiterungen eine weitere Verbürokratisierung des Förderverfahrens. Zudem entsteht das Risiko, dass durch mögliche neue Gebietszuschnitte bereits weit entwickelte Ausbauprojekte ins Hintertreffen geraten könnten.

Stellungnahme zur Regulierung der Wolfsbestände

Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat gemeinsam mit dem Deutschen Städte- und Gemeindebund zur Regulierung der Wolfsbestände Stellung genommen. Sie begrüßen die Vorschläge zum Bestandsmanagement. Daneben weisen sie auf regionale Unterschiede, die Notwendigkeit von Herdenschutzmaßnahmen, die Zuständigkeitsverteilung in den Ländern und die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen bei Entschädigungszahlungen und begrüßen eine möglichst aktuelle und wirklichkeitsgetreue Erfassung der Bestandsentwicklung.

Modellhaften Erprobung des Bundesteilhabegesetzes

Es könnten noch keine abschließenden Aussagen getroffen werden, ob die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) verbundenen Ziele erreicht werden. Das hält die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung über die bisherigen Ergebnisse der Umsetzungsunterstützung durch den Bund fest. Sie begründet das unter anderem mit den pandemiebedingten Einschränkungen in den vergangenen Jahren.

Der Abschlussbericht zur BTHG-Finanzuntersuchung des Bundes weist für die Jahre 2017 bis 2020 eine zusätzliche Belastung der Träger der Eingliederungshilfe in Höhe von 702 Millionen Euro aus. Dies sind 334 Millionen Euro weniger als im Regierungsentwurf des BTHG geschätzt. Der Großteil der Belastungen ist erst ab dem Jahr 2020 zu erwarten, das jedoch ebenso wie die beiden Folgejahre von der Umstellung auf das neue Leistungsrecht und die Pandemie geprägt war. Die Finanzuntersuchung des Bundes wurde daher um zwei Jahre verlängert. Angesichts der Kostenentwicklung in der Eingliederungshilfe und in der Sozialhilfe hat die Arbeits- und Sozialministerkonferenz den Bund erneut aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern Vorschläge für eine gerechte Lastenteilung zu entwickeln.

Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht

Das Gesetz zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht ist am 11. Januar 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Damit werden Privilegierungstatbestände zur Nutzung der Solarenergie längs von Autobahnen und bestimmten Schienenwegen sowie in Bezug auf die Wasserstofferzeugung im Zusammenhang mit Windenergieanlagen, Regelungen zur Nutzung von Braunkohle Tagebauflächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien sowie eine Vorschrift zur optisch bedrängenden Wirkung von Windenergieanlagen im Baugesetz eingeführt. Zudem werden entsprechend weitere Gesetze angepasst.

Zweites Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) wurde am 11. Januar 2023 im Bundesgesetzblatt verkündet und trat am 12. Januar 2023 in Kraft (BGBl. 2023 I Nr. 5). Mit der Änderung werden Vorgaben der EU-Trinkwasserrichtlinie in Bezug auf die Bereitstellung von Trinkwasser an öffentlichen Orten sowie in Bezug auf die Risikobewertung und das Risikomanagement der Einzugsgebiete von Trinkwasser Entnahmestellen umgesetzt. Der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatten zuvor insbesondere die zu weitgehende Umsetzung in Bezug auf die Trinkbrunnen sowie den zu erwartenden Erfüllungsaufwand der Neuregelungen für die kreislichen Wasser- und Gesundheitsbehörden kritisiert.

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizgesetzes

Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen des Niedersächsischen Landtages hat der Geschäftsstelle die Niedersächsischen Landkreistages (NLT) den Gesetzesentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Justizgesetzes sowie den dazu vorliegenden Änderungsvorschlag der Mehrheitsfraktionen mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt (LT-Drs. – 19/54 mit Vorlage 2). Der Entwurf sieht insbesondere eine Anpassung des NJG an das Gerichtsdolmetschergesetz, zwischenzeitlich vorgenommene Fortentwicklungen der Strafprozessordnung und zu den landesrechtlichen Vorschriften des Justizverwaltungskostenrechts vor. Der Änderungsvorschlag sieht unter anderem eine Änderung des Niedersächsischen Richtergesetzes vor.

Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) hat dem Deutschen Landkreistag (DLT) den Entwurf eines 6. Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes übermittelt. Die vorgeschlagene Regelung sieht vor, dass Personen, bei denen in Zweifel steht, ob sie jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten, nicht zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden dürfen. Die Neuregelung hat zur Konsequenz, dass das jeweils erkennende Gericht bei einem Verstoß gegen dieses Berufungshindernis fehlerhaft besetzt ist. Nach den jeweils einschlägigen Prozessordnungen führt dies zu einem absoluten Revisionsgrund. Für die Landkreise könnte die vorgeschlagene Änderung insoweit von Bedeutung sein, als sie ggf. an der Auswahl von Personen mitwirken, die zu ehrenamtlichen Richtern berufen werden können.

Beauftragung im Rettungsdienst im Rahmen der Bereichsausnahme

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) hat in einem Beschluss vom 16. Dezember 2022 die Entscheidungsmöglichkeiten der Aufgabenträger bei der Einschaltung von Beauftragten im Rettungsdienst bestätigt (13 B 839/22). Danach ist es auch nach dem Landesrecht in Nordrhein-Westfalen maßgeblich, ob sich der Träger des Rettungsdienstes für ein Vergabeverfahren unter Einbeziehung privater oder für die Anwendung der Bereichsausnahme entscheidet.

Die Entscheidung des OVG NRW stärkt die Rechtsposition der Träger des Rettungsdienstes und lässt sich auf Niedersachsen übertragen. Der Landesgesetzgeber hatte in § 5 NRettDG mit Gesetz vom 16. März 2021 ergänzt, dass § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB unberührt bleibt. Hiermit sollte gerade die Entscheidungsbefugnis des Aufgabenträgers klargestellt werden, entweder eine Vergabe nach dem Vierten Teil des GWB oder ein Auswahlverfahren im Rahmen der Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB durchzuführen.

Dies ist auch Auffassung in der einschlägigen Literatur (vgl. Freese in Schwind [Hrsg.], Niedersächsisches Rettungsdienstgesetz, § 5 Nr. 4.3.2.1). Da das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren bei einer Beauftragung im Rahmen der Bereichsausnahme keine Anwendung findet, gibt die Entscheidung des OVG NRW darüber hinaus einen Einblick, welche Fragen sich im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung stellen können.