Landtag missachtet Anhörungsrecht der Landkreise: Klage vor Staatsgerichtshof

Das Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) hat in seiner heutigen Sitzung eine Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof wegen der Verletzung des Anhörungsrechts durch den Niedersächsischen Landtag beschlossen. „Das ist ein bisher einmaliger Vorgang. Wir sehen uns zu diesem Schritt gezwungen, weil der Landtag sehenden Auges und ohne Not auf eine Anhörung des kommunalen Spitzenverbandes der 36 Landkreise und der Region Hannover in einer wichtigen Angelegenheit verzichtet hat, obwohl diese aus guten Gründen verfassungsrechtlich gefordert ist,“ erklärt NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer in Hannover.

Auslöser ist der Beschluss des Landtags zur Änderung von § 182 des Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetzes vom 21. September 2022. Dadurch werden Sonderregeln für kommunale Haushalte aus der Corona-Zeit auch zur Bewältigung der finanziellen Auswirkungen des Ukraine-Krieges anwendbar. Das ist schon in der Sache bedenklich: Anstatt die Kommunen hinreichend finanziell auszustatten, eröffnen die Sonderregeln der Landespolitik die Möglichkeit, die Belastungen bei den Kommunen zu belassen und in die Zukunft zu verschieben. Das ist ein erheblicher Eingriff in die Finanzhoheit der Kommunen mit potenziell massiven Folgen.

Entscheidend dabei: Die Regelung wurde eingeführt, ohne dass der NLT als Spitzenverband der Landkreise und der Region Hannover ausreichend Gelegenheit für eine Stellungnahme hatte. „Wir haben in der Corona-Krise vielfach Verständnis für äußerst kurze Anhörungsfristen aufgebracht. Bei dieser Änderung des Kommunalverfassungsgesetzes bestand aber keinerlei Zeitdruck, die Änderung hätte problemlos später beschlossen werden können“, stellt Meyer fest. Damit ist das entsprechende Gesetz nach Einschätzung des NLT-Präsidiums verfassungswidrig, eine Klärung des Verfahrens vor dem Staatsgerichtshof unausweichlich.

Aufgrund der Bedeutung des Anhörungsrechtes und der weitreichenden Folgen der Landtagsentscheidung vom 21. September 2022 hat das NLT-Präsidium ein zweigleisiges Vorgehen beschlossen: Zum einen werden einige ausgewählte Landkreise eine Kommunalverfassungsbeschwerde beim Staatsgerichtshof erheben. Zum anderen klagt der NLT selbst wegen der Verletzung seines Anhörungsrechts. Hier geht es um die verfassungsrechtliche Rolle des NLT bei der Vertretung der Interessen der Landkreise sowie der Region Hannover.

Das NLT-Präsidium hat die betreffenden Landkreise sowie die Region Hannover nun gebeten, die notwendigen Beschlüsse in ihren Gremien herbeizuführen. Die gemeinsame Vertretung der Interessen der Landkreise und des NLT hat der Göttinger Staatsrechtler Prof. Dr. Thomas Mann, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, übernommen. Mit dem Einreichen der Klage vor dem Niedersächsischen Staatsgerichtshof ist bis März 2023 zu rech-nen.

Hintergrund:

Die hier relevante Bestimmung der Niedersächsischen Verfassung lautet (Art. 57 Abs. 6):

„Bevor durch Gesetz oder Verordnung allgemeine Fragen geregelt werden, welche die Gemeinden oder die Landkreise unmittelbar berühren, sind die kommunalen Spitzenverbände zu hören.“

Die verfassungsrechtlichen Fragen zur ausreichenden Anhörungsfrist wurden vom Landtag selbst im öffentlich zugänglichen Schriftlichen Bericht zum Gesetzgebungsverfahren thematisiert

(LT-Drs. 18/11735).