NLT-Aktuell – Ausgabe 32
Vor der Landtagswahl: Forderungen der niedersächsischen Kommunen
„Die Landespolitik muss nach der Landtagswahl schnell arbeits- und handlungsfähig werden. Wir dürfen und können uns keinen wochenlangen Stillstand erlauben.“ Das haben Niedersächsischer Städtetag (NST), Niedersächsischer Städte- und Gemeindebund (NSGB) und Niedersächsischer Landkreistag (NLT) nach einer gemeinsamen Sitzung der Geschäftsführenden Präsidien der drei Verbände am 4. Oktober 2022 gefordert. Die kommunalen Spitzenverbände weisen auf die bevorstehenden Herausforderungen und schwierigen Entscheidungen hin. Die Kommunen erwarteten in vielen Bereichen effektive und nachhaltige Unterstützung vom Land.
Oberbürgermeister Frank Klingebiel, Präsident des NST, erklärte: „Etliche kommunale Stadtwerke benötigen wegen der exorbitanten Strom- und Gaspreise finanzielle Unterstützung. Wir fordern die Landesregierung daher auf, über den Landeshaushalt oder über die NBank Liquiditätshilfen sowie Bürgschaften und Garantien bereitzustellen, auf die kommunale Stadtwerke in Krisensituationen zugreifen können.“ Diese Forderung bekräftigte auch die Oberbürgermeisterkonferenz des Niedersächsischen Städtetages in der vergangenen Woche einstimmig.
Besonders schwierig ist die finanzielle Situation auch in den niedersächsischen Krankenhäusern. Die Häuser litten unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie, massiven Energiepreissteigerungen und weiteren erheblichen Kostensteigerungen. Dies könne nicht allein von den kommunalen Trägern aufgefangen werden. „Einige Häuser sind am Rande einer Insolvenz. Die Krankenhäuser in Niedersachsen müssen sehr kurzfristig durch die Schaffung eines Schutzschirms für Krankenhäuser unterstützt werden“, so Klingebiel.
NSGB-Präsident, Dr. Marco Trips, äußerte sich zu den Themen Kindertagesstätten, Schulen und Förderdschungel „Auch beim Ausbau der Bildung in den Kitas und den Schulen besteht dringender Handlungsbedarf. Das Land muss sich stärker an den Kosten für den Kita-Betrieb beteiligen. Wir brauchen endlich eine dreijährige duale Erzieherinnen-Ausbildung, um den Berufszugang attraktiver zu gestalten. Personal fehlt hier an allen Ecken und Enden! Und für den Ausbau der Ganztagsschule fordern wir ein einheitliches Konzept im Schulrecht und eine ausreichende Finanzierung durch das Land.“ Generell dürfe es keine neuen, komplizierten Förderprogramme und Standarderhöhungen geben – stattdessen bräuchten die Kommunen dauerhafte, verlässliche Finanzzuweisungen und Vertrauen in die kommunale Selbstverwaltung, brachte es Dr. Trips auf den Punkt.
Landrat Sven Ambrosy, Präsident des NLT, erklärte: „Die Unterbringung von Vertriebenen aus der Ukraine und Schutzsuchenden entwickelt sich zu einem wirklichen Kraftakt. Als Kommunen spüren wir das unmittelbar.“ Die Vermittlung in Privatwohnungen sei kaum noch möglich. Die bisherigen Standards seien nicht mehr zu halten. Zunehmend müssten Sporthallen und andere für das soziale Leben wichtige Einrichtungen als Sammelunterkünfte in Anspruch genommen werden. „Das muss aber die Ultima Ratio sein und vorrübergehend bleiben. Wir erwarten vom Bund und vom Land nunmehr zeitnah klare Aussagen, wie es weitergehen soll“, machte Ambrosy deutlich.
„In der Energiekrise brauchen wir einen Preisdeckel für Gas und die Entkopplung vom Strompreis. Die Menschen müssen sich Energie noch leisten können und wir sorgen uns um das Funktionieren gesellschaftlich relevanter Institutionen“, führte er weiter aus. Es sei gut, dass die Bundesregierung dies nun ebenso sehe und das Problem an der Wurzel anpacken wolle, statt immer wieder mit Hilfsprogrammen, Transferzahlungen und Härtefallfonds der Entwicklung hinterherzulaufen. „Nun bedarf es zügig einer praxisgerechten Umsetzung der 200 Milliarden-Euro Ankündigung. Das ,Fifty-Fifty-Modell‘ von Ministerpräsident Weil kann hierfür ein zielführender Ansatz sein“, so der NLT-Präsident.
Steigende Energiekosten: Wirtschaftlicher Abwehrschirm des Bundes
Die Bundesregierung hat am 29. September 2022 die Errichtung eines wirtschaftlichen Abwehrschirms für Verbraucher und Unternehmen gegen die infolge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine steigenden Energiekosten angekündigt. Demnach will die Bundesregierung u.a. folgende Maßnahmen ergreifen:
- Die Gaspreise sollen durch eine Ausweitung des Energieangebots und die Senkung des Verbrauchs gedämpft werden. Hierzu gehören u.a. das Ausschöpfen aller Potenziale der erneuerbaren Energien, die Kohleverstromung, die Ermöglichung eines „Fuel Switch“, der Aufbau von Importstrukturen durch Flüssiggas-Terminals sowie die Möglichkeit, die süddeutschen Atomkraftwerke bis zum Frühjahr 2023 laufen zu lassen.
- Die Bundesregierung will eine Strompreisbremse für Verbraucher und Unternehmen einführen. Geplant ist, einen Basisverbrauch zu subventionieren, während für den darüberhinausgehenden Verbrauch der jeweils aktuelle Marktpreis angelegt wird. Zudem soll eine Gaspreisbremse eingeführt werden, die private Haushalte und Unternehmen vor Überforderung schützt und gleichzeitig Anreize zur Reduktion des Gasverbrauchs setzt. Die Gasumlage wird abgeschafft (s.u.). Zur näheren Ausgestaltung der Gaspreisbremse soll eine Expertenkommission Mitte Oktober einen Bericht vorlegen.
- Zur Finanzierung dieser energiepolitischen Maßnahmen will die Bundesregierung den 2020 als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie errichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) reaktivieren und neu ausrichten. Der WSF wird im Jahr 2022 mit zusätzlichen Kreditermächtigungen (auf Grundlage von Art. 115 Abs. 2 Satz 6 GG) in Höhe von 200 Milliarden Euro ausgestattet werden.
- Die Umsatzsteuer auf Gas soll – unabhängig vom Wegfall der Gasumlage – bis zum Frühjahr 2024 auf den reduzierten Satz von sieben Prozent begrenzt und der ermäßigte Umsatzsteuersatz zudem auf Fernwärme ausgeweitet werden.
Abschließend wird in dem Papier festgehalten, dass die Maßnahmen des Bundes den Ländern und Kommunen helfen, da auch Schulen, Sportvereine und kommunale Unternehmen sowie Krankenhäuser und Kultureinrichtungen von dem Abwehrschirm profitierten. Hierdurch würden potenzielle Belastungen bei Ländern und Kommunen sinken, die anderenfalls diese Unternehmen und Einrichtungen stärker unterstützen müssten. Vor diesem Hintergrund, und angesichts der erheblichen Kreditaufnahme im Rahmen des WSF, formuliert die Bundesregierung die Erwartung, dass bei den anstehenden Verhandlungen zur Finanzierung des Entlastungspakets III die Länder einen finanziellen Beitrag erbringen.
Aufhebung der Gasumlage beschlossen
Die Bundesregierung hat die Aufhebung der Gasumlage beschlossen. Die Verordnung, mit der die zugrundeliegende Gaspreisanpassungsverordnung rückwirkend ab dem 9. August 2022 aufgehoben wird, wurde am 3. Oktober 2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Ergebnisse der Bund-Länder-Besprechung zur Energieversorgung
Vor dem Hintergrund der drohenden Energieknappheit haben sich der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder am 4. Oktober 2022 zu einer Besprechung getroffen. Auszugsweise ist auf folgende Punkte hinzuweisen:
- Es sollen alle sinnvollen Möglichkeiten zur Ausweitung der Stromproduktion genutzt werden. Um schnell eine Importinfrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) aufzubauen, wollen Bund und Länder für zügige Planungs- und Genehmigungsverfahren für entsprechende LNG-Anlagen und Anbindungsleitungen sorgen. Sie achten darauf, dass diese Infrastrukturen auch für zukünftige Wasserstoffanwendungen Verwendung finden können.
- Mittel- und langfristig soll der Energiebedarf in Deutschland vor allem durch den schnellen Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- und Sonnenenergie, Biomasse, Wasserkraft und Geothermie gedeckt werden. Im Rahmen des von Bund und Ländern angestrebten Pakts für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung sollen, ergänzend zu den bereits erfolgten Erleichterungen, gezielt Hemmnisse im für Planung und Genehmigung von Erneuerbare-Energien-Anlagen sowie von Netzanbindungen identifiziert und abgebaut werden.
- Bürger und Unternehmen sollen zielgerichtet bei den gestiegenen Energiekosten entlastet werden. Mit dem von der Bundesregierung am 29. September 2022 vorgelegten Maßnahmenpaket des wirtschaftlichen Abwehrschirms sollen die Kosten für Gas und Wärme in Haushalten und Unternehmen abgefedert werden. Die genaue Ausgestaltung der sogenannten Gaspreisbremse wird unter Berücksichtigung der Empfehlungen einer Expertenkommission festgelegt.
- Noch in diesem Jahr wird für Wohngeld-Empfangende ein weiterer einmaliger Heizkostenzuschuss gezahlt. Die Finanzierung dieses Heizkostenzuschusses erfolgt durch den Bund. Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder halten es für notwendig, dass der Bund auch die Kosten für das Wohngeld in Zukunft vollständig übernimmt. Für eine möglichst schnelle und unbürokratische Auszahlung wird ein vereinfachtes Verfahren mit einer Begrenzung von Überprüfungsumfang und Nachweispflichten angestrebt.
- Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und -chefs der Länder halten den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für nötig. Aus Sicht des Bundes soll es eine Nachfolgeregelung für das sogenannte Neun-Euro-Ticket geben. Aus Sicht der Länder ist neben einer Nachfolgeregelung zugleich auch eine Steigerung der Regionalisierungsmittel zur Qualitätsverbesserung sowie in Hinblick auf die massiven Energiepreissteigerungen erforderlich. Über den konkreten Weg und die jeweilige Finanzverantwortung bestehen unterschiedliche Vorstellungen bei Bund und Ländern.
- Der Bund bekennt sich weiter zu seiner Mitverantwortung bei der Flüchtlingsfinanzierung, die er bereits jetzt in erheblichem Maße wahrnimmt. Bund und Länder werden die vereinbarten Gespräche dazu zeitnah zum Abschluss bringen und dabei auch über den Verlauf des Jahres 2022 sprechen.
Sowohl der Deutsche Landkreistag wie auch der Niedersächsische Landkreistag haben nach dem Ende der Bund Länder-Besprechung am 4. Oktober 2022 mehr Tempo bei den politischen Entscheidungen angemahnt.
Wohngeld-Plus-Gesetz und zweiter Heizkostenzuschuss
Das Bundeskabinett hat die Entwürfe für ein Wohngeld-Plus-Gesetz und für einen zweiten Heizkostenzuschuss beschlossen. Wesentliche Änderungen gegenüber den Referentenentwürfen (vgl. dazu NLT-Aktuell 31/2022, S. 2 f.) gab es nicht.
Neu hinzugekommen ist eine Ergänzung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) im Gesetz zur Änderung des Heizkostenzuschussgesetzes (Art. 2); demnach soll wegen der gestiegenen Energiekosten die Aufnahme einer Neuverhandlungsoption in § 85 Abs. 7 SGB XI vorgesehen werden. Damit könnten auf Verlangen der Pflegeeinrichtungen während eines laufenden Vergütungszeitraums vorgezogene Neuverhandlungen erfolgen. Es wird ausgeführt, dass damit keine Rückkehr zum Selbstkostendeckungsprinzip beabsichtigt sei; die Pflegevergütung sei weiterhin prospektiv zu verhandeln. Die Gesetzesänderung wolle vielmehr klarstellen, dass deutliche Änderungen bei den Energiekosten einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleichgestellt werden (deutlich sind laut Begründung eine Verdoppelung bis Verdreifachung der Energieaufwendungen).
Der Deutsche Landkreistag hat sich wiederholt für einen Umstieg des Wohngeldes auf ein Warmmietensystem bzw. die Einführung einer dauerhaften pauschalen Heizkostenkomponente im Wohngeld eingesetzt. Zugleich forderte er angesichts der weiter steigenden Energiekosten zügige Energiehilfen. Von daher ist die Zielrichtung der Gesetzentwürfe zu begrüßen.
Gleichwohl ist insbesondere der Gesetzentwurf zur Wohngeldreform mit einer Verdreifachung des Empfängerkreises von den Wohngeldbehörden nur zu stemmen, wenn weitere Verfahrenserleichterungen vorgesehen werden. Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände hatte – trotz der in Bezug auf die Referentenentwürfe eingeräumte unzumutbar kurze Frist von 24 Stunden – am 23. September 2022 eine Stellungnahme gegenüber dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen (BMWSB) abgegeben. Darin werden die absehbaren Umsetzungsschwierigkeiten einer derartigen Ausweitung des leistungsberechtigten Empfängerkreises erneut verdeutlicht. Insbesondere wird kritisch angemerkt, dass die seitens der kommunalen Spitzenverbände eingebrachten Verbesserungsvorschläge zur spürbaren Entlastung der Fallbearbeitung nicht oder nicht adäquat in den Gesetzesentwurf übernommen wurden. Das Wohngeld-Plus-Gesetz drohe so, zu noch mehr Aufwand als bislang pro Fall zu führen.
Zum vorgesehenen Anspruch von Pflegeeinrichtungen, infolge der gestiegenen Energiekosten die Vergütungen neu verhandeln zu können, hat in Niedersachsen die Pflegesatzkommission hierzu bereits entsprechende Möglichkeiten geschaffen.
Aktuellen Flüchtlingssituation: Berichte der Bundesregierung
In der vergangenen Woche haben der Innenausschuss wie auch der Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen des Deutschen Bundestages – letzterer unter Beteiligung von Vertretern der kommunalen Spitzenverbände auf der Bundesebene – über Fragen der aktuellen Flüchtlingssituation beraten. Grundlage waren Berichte der Bundesregierung. In ihrem Bericht zur Lage der Kommunen in der aktuellen Flüchtlingssituation räumt die Bundesregierung ein, dass nach Rückmeldungen der Länder die Aufnahmekapazitäten vor Ort in einigen Ländern bereits vollständig oder weit überwiegend erschöpft seien. Die Zahl der Kriegsvertriebenen aus der Ukraine wird mit 922.836 angegeben. Während die weitere Zuwanderung aus der Ukraine sich auf niedrigem Niveau bewege, würde die Zahl der Asylanträge deutlich steigen. Der Bericht enthält des Weiteren Hinweise auf Maßnahmen des Bundes zur Entlastung der Länder und Kommunen.
Auf die zunehmenden Schwierigkeiten bei der dezentralen Unterbringung von UkraineVertriebenen und Asylbewerbern – auch im ländlichen Raum – hat der Niedersächsische Landkreistag das Innenministerium in Hannover bereits auf verschiedenen Ebenen hingewiesen. Der NLT appellierte, die landeseigenen Aufnahmekapazitäten zügig weiter zu erhöhen. In einer Pressekonferenz am 4. Oktober 2022 hat NLT-Präsident Sven Ambrosy für die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände erneut auf die besorgniserregende Entwicklung bei der Unterbringungssituation aufmerksam gemacht und von Bund und Land zeitnahe klare Aussagen über die weitere Vorgehensweise gefordert.
Städtebaurecht: Verbesserte Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien
Einen Gesetzentwurf zur sofortigen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die erneuerbaren Energien im Städtebaurecht hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) äußerst kurzfristig der Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Landkreistages (DLT) übermittelt. Durch die Änderungen im Baugesetzbuch (BauGB) sollen laut dem BMWSB folgende Regelungsanliegen betreffend den Ausbau der erneuerbaren Energien umgesetzt werden:
- Schaffung eines ausdrücklichen Privilegierungstatbestands für Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff, die zu bestehenden Windenergieanlagen hinzutreten;
- Verordnungsermächtigungen der Länder für die beschleunigte Öffnung von Braunkohle-Tagebauflächen zur Belegung mit Windenergie- und/oder Photovoltaik-Anlagen.
Wie die durch eine solche Rechtsverordnung für die Windenergie geöffneten Flächen auf die Flächenbeitragswerte des Windenergieflächenbedarfsgesetzes angerechnet werden, wird laut dem BMWSB derzeit noch geprüft.
Atomkraftwerk-Einsatzreserve: Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums
Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich mit den Betreibern der Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim auf ein Konzept zur Atomkraftwerk-Einsatzreserve verständigt. Den vereinbarten Eckpunkten zufolge sollen die beiden Atomkraftwerke nach dem Ende ihrer regulären Laufzeit am 31. Dezember 2022 in eine Einsatzreserve bis zum 15. April 2023 überführt werden. Sie sollen bereitstehen, um einen drohenden Stromnetzengpass in Süddeutschland zu verhindern. Dabei spielt laut BMWK vor allen die Versorgungssituation in Frankreich eine große Rolle, wo mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke nicht am Netz ist; hier fehlen große Strommengen, die Deutschland zum Teil mit Gaskraftwerken ausgleicht.
Die Betreiber der beiden süddeutschen Atomkraftwerke sollen ab sofort alles Erforderliche in die Wege leiten, damit die Anlagen über den 31. Dezember 2022 hinaus, bis längstens zum 15. April 2023, weiter betrieben werden können. Die Eckpunkte sehen vor, dass nach dem Ende der Einsatzreserve der Rückbau der Atomkraftwerke beginnt. Das atomrechtlich erforderliche Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Eckpunkte wird nun eingeleitet und soll bis Ende Oktober 2022 abgeschlossen sein.
Krankenhausversorgung: Kommission legt erste Stellungnahmen vor
Im Frühjahr hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf Grundlage der Koalitionsvereinbarung die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ berufen. Sie soll Empfehlungen vorlegen und insbesondere Leitplanken für eine auf Leistungsgruppen und auf Versorgungsstufen basierende Krankenhausplanung erarbeiten, die sich an Kriterien wie Erreichbarkeit und der demographischen Entwicklung orientiert. Die Empfehlungen sind als Grundlagen für Krankenhausreformen ab dem Jahr 2023 gedacht.
Die Krankenhausstrukturkommission ist mit 16 Expertinnen und Experten aus Versorgung (Pflege und Medizin), Ökonomie und Rechtswissenschaften sowie einem an das BMG angebundenen Koordinator besetzt. Die Mitgliederliste steht auf der Webseite des BMG unter dem Link Schwerpunkt Krankenhausreform | BMG Bundesgesundheitsministerium als Download zur Verfügung. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Kommunalen Spitzenverbände sind nicht vertreten – trotz ihrer besonderen Betroffenheit und Verantwortung für die Sicherstellung der Krankenhausversorgung.
Am 8. Juli 2022 hat die Kommission ihre erste Stellungnahme und Empfehlung für eine kurzfristige Reform der stationären Vergütung für Pädiatrie, Kinderchirurgie und Geburtshilfe vorgelegt. Der Bundesgesundheitsminister kommentierte den Bericht dahingehend, in diesen Bereichen hätten die Fallpauschalen Nebenwirkungen erzeugt: Die Zahl der Standorte für Pädiatrie und Geburtshilfe sei zurückgegangen. Eltern müssten mit ihren Kindern weitere Wege zurücklegen, um eine Kinder-Abteilung zu finden.
Die aktuell vorgelegte zweite Stellungnahme und Empfehlung vom 22. September 2022 befasst sich mit der Tagesbehandlung im Krankenhaus zur kurzfristigen Entlastung der Krankenhäuser und des Gesundheitswesens. Leitidee: Wer im Krankenhaus behandelt wird, muss künftig seltener über Nacht bleiben. Die „Tagesbehandlung im Krankenhaus“ soll künftig im DRG-System abgebildet, d.h. bei den Fallpauschalen berücksichtigt werden. Die DKG hat in einer ersten Reaktion die Empfehlung als ersten Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Vonseiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wurden die Empfehlungen hingegen deutlich kritisiert.
Auch die beiden Stellungnahmen und Empfehlungen stehen unter Schwerpunkt Krankenhausreform | BMG Bundesgesundheitsministerium zum Download bereit.
Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
Der Niedersächsische Landtag hat am 23. März 2022 – auf Antrag der Fraktionen von SPD und CDU – der Entschließung „Den Öffentlichen Gesundheitsdienst als unverzichtbare Säule des niedersächsischen Gesundheitswesens nachhaltig stärken!“ zugestimmt (LT-Drs. 18/11009). Inzwischen liegt eine ausführliche Antwort der Landesregierung vom 16. September 2022 vor (LT-Drs. 18/11733). Diese geht u. a. auf folgende, in der Entschließung angeschnittenen Themenfelder ein:
- strukturelle Stärkung und Weiterentwicklung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD),
- digitale und technische Modernisierung des ÖGD,
- Personalaufstockung gemäß den Regelungen im Pakt für den ÖGD,
- stärkere Berücksichtigung der Herausforderungen pandemischer Lagen,
- Besoldung bzw. Vergütung der Ärzteschaft im ÖGD,
- stärkere Berücksichtigung des ÖGD bei der Planung und Gestaltung regionaler und kommunaler Versorgungskonzepte,
- Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung in Schulen und Kindertagesstätten,
- angestrebte Wiedereinführung der Verordnungsmöglichkeit für Ärztinnen und Ärzte in den sozialpsychiatrischen Diensten,
- Stärkung der Fort-, Weiter- und Ausbildung für die Fachkräfte im ÖGD und
- verbesserte Verankerung des ÖGD in der medizinischen Aus- und Weiterbildung.
Aus der Antwort der Landesregierung ist besonders hervorzuheben, dass in Niedersachsen im Rahmen des Paktes für den ÖGD zwischen dem 31. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2021 295 Vollzeitstellen geschaffen wurden. Damit haben das Land und die kommunalen Gesundheitsbehörden mehr als doppelt so viele neue Stellen geschaffen wie im Pakt für diesen Zeitraum vom Bund vorgesehen war. Dem Vernehmen nach ist auch für 2022 insoweit eine positive Entwicklung erkennbar.
Ein weiterer Schwerpunkt in den Ausführungen der Landesregierung ist die digitale und technische Modernisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Ausdrücklich erwähnt wird das Deutsche Elektronische Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) als bundeseinheitliche und gemeinsame Kommunikationsplattform. Niedersachsen beteiligt sich weiterhin an der Schaffung von Interoperabilität zwischen den eingesetzten Fachverfahren sowie der Definition und Standardisierung von Schnittstellen. Vorgesehen ist auch eine Niedersächsische Plattform zur Datenübermittlung.
Ausbau der Windenergie: Potenzialflächenanalyse des Landes
Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz (MU) hat der Geschäftsstelle des Niedersächsischen Landkreistages die Leistungsbeschreibung für die Ausschreibung der Potenzialflächenanalyse (Begutachtung des niedersächsischen Raumes hinsichtlich seiner Flächenpotenziale zum zukünftigen Ausbau der Windenergie) zugesandt. Diese Analyse soll die Grundlage für den weiteren Prozess der Festlegung regionaler Teilflächenziele in Folge der anstehenden landesinternen Umsetzung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes bilden. Vorausgesetzt ist eine entsprechende Entscheidung der künftigen Landesregierung bzw. des Landtags.
Mit der Übersendung bereits der Leistungsbeschreibung folgt das MU der Bitte des NLT nach einem transparenten Vorgehen. Zudem hat das MU die Analyse der Flächenverfügbarkeit für Windenergie an Land dem NLT zur Kenntnis gegeben. Diese Bundesanalyse erfolgte in Vorbereitung des Windenergieflächenbedarfsgesetzes, welches nun für Niedersachsen ein Wind-Flächenziel von 2,2 Prozent der Landesfläche statuiert. Die in der Bundesanalyse für die niedersächsischen Landkreise ermittelten Potenzialflächen basieren auf für diese Ebene zu grob gefassten Kategorien und Wertungen. Für die Zuweisung von Zielzahlen für die Länder seitens des Bundes konnten diese noch als tauglich angesehen werden. Für die Zuweisung von regionalen Teilflächenzielen an die Regionalplanungsträger durch das Land taugen diese nicht. Auch deshalb möchte Niedersachsen die vorbe -schriebene eigene Potenzialflächenanalyse auch unter Einbezug landesspezifischer Kriterien (Vorranggebiete Wald, militärische Restriktionen usw.) durchführen (lassen). Das MU rechnet damit, Ende November bzw. im Dezember, erste Ergebnisse aus der nun ausgeschriebenen Potenzialflächenanalyse präsentieren zu können.
Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit
Als bundesweite Plattform für Politik und Zivilgesellschaft ist das Gemeinschaftswerk Nachhaltigkeit gestartet. Den Rahmen für den Auftakt bildete am 26. September 2022 die Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE). Durch die Projekte des Gemeinschaftswerkes soll das bereits bestehende Engagement von Verbänden, Vereinen, Unternehmen, Kommunen und weiteren Initiativen sichtbar gemacht und befördert werden.
Daneben sollen durch Innovationsprozesse gemeinsam Lösungen für Herausforderungen der Nachhaltigkeitstransformation entwickelt werden. Konkret vorgesehen sind eine Webplattform mit Initiativenkarte, Veranstaltungen wie Netzwerktreffen und Aktionswochen sowie Wettbewerbe. Die Plattform wurde von Bund und Ländern initiiert und wird vom RNE koordiniert. Der Deutsche Landkreistag ist neben dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Städte- und Gemeindebund, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag Partner der Initiative.
Auch für Landkreise steht die Plattform offen. Landkreise, die ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten auf der Plattform sichtbar machen und sich in dem Netzwerk einbringen möchten, können sich über die Website des Gemeinschaftswerkes unter https://gemeinschaftswerknachhaltigkeit.de/ registrieren. Dort findet sich auch einen Überblick über Projekte und Aktivitäten.
Digitale Bauakte: Unterstützung für die Bauaufsichtsbehörden
Das Land Niedersachsen und die kommunalen Spitzenverbände in Niedersachsen haben eine Gemeinsame Erklärung zur Unterstützung der Bauaufsichtsbehörden bei der Einrichtung der digitalen Bauakte unterzeichnet. Es handelt sich dabei um eine politische Vereinbarung, die zugleich als landesinterne Geschäftsanweisung gilt, jeder Bauaufsichtsbehörde pauschal und antragslos 10.000 Euro bis spätestens 31. Oktober 2022 auszuzahlen.
Mit diesem symbolischen Betrag möchte das Land anerkennend unterstützen, dass nunmehr die im Zuge der letzten NBauO-Novelle verpflichtend eingeführte digitale Bauantragstellung (kostenintensiv) umzusetzen ist. Etwaige bürokratische Folgelasten sollen durch die Vereinbarung weitgehend vermieden werden.
Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
Die Geschäftsstelle des Deutschen Landkreistages (DLT) hat Kenntnis vom Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes erlangt (BTDrs. 20/3498). Der Gesetzentwurf befindet sich bereits im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren. Eine Konsultation durch die zuständigen Bundesministerien zu den beabsichtigten Sonderregelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) hat im Vorfeld nicht stattgefunden.
Der Entwurf sieht u.a. zeitlich befristete Sonderregelungen zur Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen bestimmter Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG sowie weitere Verfahrenserleichterungen vor, wenn das entsprechende Verfahren in einem spezifischen Zusammenhang mit der Gasmangellage durchzuführen ist. Die DLT-Geschäftsstelle kann im Rahmen der parlamentarischen Beratungen kurzfristig eine Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf abgeben, sofern seitens der kreislichen Immissionsschutzbehörden Bedarf gesehen wird.
Nordverlängerung der A 14: Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Klage einer Umweltvereinigung gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Nordverlängerung der Bundesautobahn A 14 abgewiesen. Dabei hat sich das BVerwG mit der Reichweite des allgemeinen Berücksichtigungsgebotes in § 13 des Bundes-Klimaschutzgesetzes befasst. Das Berücksichtigungsgebot verlange von den Planfeststellungsbehörden, mit einem vertretbaren Aufwand zu ermitteln, welche Auswirkungen das jeweilige Vorhaben in Bezug auf den Klimaschutz hat. Es sei zwar nicht geboten, dass die Verwaltung in aufwändige Ermittlungen zu klimarelevanten Auswirkungen einsteige, sie dürfe aber auch nicht die Augen vor erkennbaren Klimafolgen verschließen.