NLT-Aktuell – Ausgabe 26

Zerstörung funktionierender Hilfesysteme für junge Menschen 

„Dies ist eine der schlechtesten Nachrichten, die uns die Bundespolitik in den letzten Jahren überhaupt zugemutet hat und die uns sozialpolitisch um fast zwanzig Jahre zurückwirft.“ So lautet der erste Kommentar des Präsidenten des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Sven Ambrosy, zum Beschluss des Bundeskabinetts, unter 25-Jährige künftig nicht mehr im SGB II zu fördern. „Es ist wirklich kein einziger sinnvoller Bestandteil oder gar Vorteil in diesem Vorgehen zu erkennen. Darin sind sich alle Fachleute einig“, so Ambrosy weiter. Ende Juni hatte die Ankündigung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil für massive Kritik gesorgt, er wolle junge Menschen unter 25 Jahren nicht mehr wie bisher von den kommunal verankerten Jobcentern bzw. im SGB II (Bürgergeld), sondern durch die Arbeitsagenturen betreuen lassen, um rund 900 Millionen Euro zu sparen. Dagegen hatten sich geschlossen die Länderministerien, sämtliche Jobcenter, die kommunalen Spitzenverbände, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände ausgesprochen. 

„In Niedersachsen bedeutet dies z.B. das Ende der Jugendwerkstätten. Dort werden bisher mit 90 Millionen Euro jährlich besonders hilfsbedürftige Jugendliche beschäftigt. Über mindestens 15 Jahre aufgebaute Präventionsnetzwerke werden zerstört, die mühsam errichtet wurden und zuverlässig funktionieren,“ beklagt NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer. 

„In einer Zeit, in der der gesellschaftliche Zusammenhalt wesentlich davon abhängt, dass den Kommunen als Träger der Jugend- und Sozialhilfe aber auch der Schulen die Integration von benachteiligte Bevölkerungsgruppen gelingt, schafft der Bund zum wiederholten Male maximale Verunsicherung“ kritisiert der Vorsitzende des NLT-Jugend- und Sozialausschusses, Landrat Peter Bohlmann (Verden). Nicht nur, dass durch die noch nicht konkretisierten Pläne für eine mögliche Kindergrundsicherung die Gefahr bestehe, dass die zweckgebundenen Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket für gezielte Lernförderung in Pauschalen verschwänden, jetzt solle auch noch die Vermittlung arbeitsloser Jugendlicher von anderen kommunalen Angeboten abgekoppelt und auf eine Bundesbehörde übertragen werden. „Betroffen davon wären allein in Niedersachsen fast 75.000 arbeitslose Jugendliche, die und deren Familien dann wieder mit mehreren Anlaufstellen zu tun hätten, obwohl die mit der der sozialen Arbeit Befassten und die Hilfedürftigen eine einheitliche Betreuung durch Behörden vor Ort für zwingend erforderlich halten“, so Bohlmann. 

Der Niedersächsisch Landkreistag (NLT) appelliert daher an den Deutschen Bundestag, diesen Irrweg nicht mitzugehen, sondern auf den Sachverstand der Länder, der Landkreise und der Sozialpartner zu hören. 

Kommunalverfassungsbeschwerde acht niedersächsischer Landkreise 

Acht niedersächsische Landkreise haben beim Niedersächsischen Staatsgerichtshof (Nds. StGH) Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie machen eine Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts durch die haushaltsrechtliche Regelung des § 182 Abs. 5 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) geltend. Diese Norm bestimmt, dass zur Bewältigung der Folgen des Krieges in der Ukraine bestimmte, zur Bewältigung der Folgen einer epidemischen Lage geltende Regelungen für die kommunale Haushaltswirtschaft angewendet werden. Danach können Kommunen u.a. unter erleichterten Voraussetzungen Kredite aufnehmen und sich über den Wert ihres Vermögens hinaus verschulden. 

Die Beschwerdeführer sind der Ansicht, § 182 Abs. 5 NKomVG sei schon formell verfassungswidrig, da der Niedersächsische Landkreistag (NLT) als kommunaler Spitzenverband der Beschwerdeführer im Gesetzgebungsverfahren nicht ordnungsgemäß nach Art. 57 Abs. 6 der Niedersächsischen Verfassung beteiligt worden sei. Insoweit ist bereits seit Februar 2023 ein Organstreitverfahren des NLT vor dem Nds. StGH anhängig. Der NLT koordiniert auch die nun erhobenen Verfassungsbeschwerden. 

Die Beschwerdeführer sind zudem in der Sache der Ansicht, der Gesetzgeber habe sie – anders als verfassungsrechtlich geboten – nicht mit den notwendigen finanziellen Mitteln für die im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg zu bewältigenden Aufgaben ausgestattet, sondern ihnen stattdessen de facto eine Verschuldungspflicht auferlegt. Darin sehen sie einen Eingriff in ihre durch Art. 57 und 58 der Niedersächsischen Verfassung und Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes gewährleistete Finanz- und Haushaltsautonomie. Zudem verstoße § 182 Abs. 5 NKomVG gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Es bleibe unklar, welche kommunalen Ausgaben als Folgen des Ukrainekrieges unter die Sonderregelung fielen. 

Anhörung zum Artikelgesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes 

Am 21. August 2023 hat eine Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz des Niedersächsischen Landtages zu dem Artikelgesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes (LT-Drs. 19/1598) stattgefunden. In der Stellungnahme hat die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände zunächst das Gesetzgebungsverfahren sowie den unpassenden Zeitpunkt der Novellierung aufgrund von ausstehendem EU- und Bundesrecht kritisiert. Der spezifisch kommunalrelevante Teil war ausdrücklich nicht Gegenstand der Landtagsanhörung und ist auch in den Nachfragen der Ausschussmitglieder nicht angesprochen worden. Dem Vernehmen nach soll geplant sein, diesen Teil noch im Rahmen eines Änderungsantrages der die Regierung tragenden Fraktionen in das laufende Gesetzgebungsverfahren einzubringen. 

Im Rahmen der umfangreichen Änderungen der Vorschrift zu den niedersächsischen Klimazielen (§ 3 NKlimaG) hat der Niedersächsische Landkreistag (NLT) im Hinblick auf das Ziel der Treibhausneutralität bis 2040 auf den umfangreichen Bedarf an zusätzlichen Landesmitteln zur dann erforderlichen Umsetzung der vorgesehenen bzw. noch zu planenden Maßnahmen hingewiesen. Entsprechend der bisherigen Verbandslinie wurde das Ziel zum Ausbau der Windenergie, welches das Land auf das Jahr 2026 vorziehen möchte, abgelehnt. Insbesondere aufgrund des nach wie vor nicht einmal in einer abschließenden Entwurfsfassung vorliegenden Niedersächsischen Windgesetzes wird eine Zielerreichung bis zum Ende des Jahres 2026 immer unrealistischer. 

Im Hinblick auf das Ausbauziel der Photovoltaik hat der NLT nochmals eine viel stärkere Lenkung des Ausbaus auf bereits technisch überformte Flächen gefordert. Die Teilregelung, gute, ertragsreiche Böden bis zu einem Bodenwert von 50 stärker von einer Solarnutzung freizuhalten, wurde dabei ausdrücklich begrüßt. Auf eine konkrete Nachfrage einer Abgeordneten hat die NLT-Geschäftsstelle auf die in der vergangenen Legislaturperiode gestrichene Regelung zu Vorbehaltsgebieten Landwirtschaft im Landes-Raumordnungsprogramm (LROP), die einen Schutz landwirtschaftlicher Flächen zum Ziel hatte, hingewiesen und eine Wiedereinführung dieser Regelung im gerade angelaufenen Änderungsverfahren zum LROP angeregt. 

Kreisumlage – Urteil des VG Braunschweig vom 21. Juni 2023 

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 21. Juni 2023 (1 A 102/19) die Kreisumlage des beklagten Landkreises bestätigt und sowohl Hinweise der klagenden Gemeinde zu Anhörungs-/Abwägungsdefiziten als auch zur nicht hinreichenden Finanzlage zurückgewiesen. Der entschiedene Fall zeichnet sich dadurch aus, dass sich sowohl die klagende Gemeinde als auch der beklagte Landkreis in einer schwierigen Finanzlage befinden. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung folgenden Leitsatz vorangestellt: 

– Der Landkreis ist nicht bereits von Amts wegen verpflichtet, sämtliche aus Sicht der betroffenen Gemeinden abwägungserheblichen Belange bei den Gemeinden, also in deren Verantwortungsbereich, zu ermitteln. Denn dann würde die formalisierte Beteiligung gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 NFAG teilweise ihre Bedeutung verlieren (wie Nds. OVG, Urt. v. 7. Juli 2004 10 LB 4/02, juris). Aus dem verfassungsrechtlich angelegten Gleichrang des Finanzbedarfs der Kommunen ergibt sich die Verpflichtung des Landkreises, die finanziellen Interessen der Gemeinden zu berücksichtigen sowie die Obliegenheit der kreisangehörigen Gemeinden zur Erhebung substantiierter Einwendungen. Je substantiierter die kreisangehörigen Gemeinden im Rahmen der Anhörung, auch und vor allem anhand eigener Haushaltsdaten, Einwendungen vorbringen, desto stärker ist der Landkreis gehalten, diese in seine Überlegungen zum Umlagesatz einzubeziehen. Die finanzielle Mindestausstattung einer Gemeinde ist nur dann nicht mehr gewahrt, wenn ihr infolge einer unzureichenden Finanzausstattung durch die Kreisumlage die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten unmöglich gemacht wird. 

Hervorzuheben sind die Ausführungen, wonach bei der Festsetzung der Kreisumlage es nicht um einen rechtfertigungsbedürftigen staatlichen Eingriff in die Selbstverwaltungshoheit einzelner Gemeinden gehe, sondern um die Entscheidung einer kommunalen Gebietskörperschaft über die Verteilung der finanziellen Mittel innerhalb des kommunalen Raums zwischen Gemeinden und Landkreis. Bei dieser Entscheidung könnten sich sowohl der Landkreis, der über die Mittelverteilung entscheidet, als auch die Gemeinden, denen Finanzmittel entzogen würden, auf die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und ihren daraus abgeleiteten Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzierung aus Artikel 28 Abs. 2 GG berufen. Die Festsetzung des Kreisumlagesatzes diene nicht dazu, dem kommunalen Raum Finanzmittel zu entziehen, sondern dem Ausgleich der im kommunalen Raum konkurrierenden finanziellen Interessen. 

Europawahl 2024: Entwurf von kommunalpolitischen Forderungen des DLT 

Wie auch bereits zu den letzten Europawahlen hat die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Landkreistages (DLT) den Entwurf von Forderungen zur Europawahl 2024 vorgelegt. Es handelt sich dabei um neun unterschiedliche Politikbereiche, in denen Forderungen erhoben werden. An der Spitze des Katalogs steht die Forderung nach der Beendigung der Europäischen Überregulierung und einer besseren europäischen Gesetzgebung für und mit den Kommunen. 

Weitere Themen sind die europäische Asyl- und Migrationspolitik, eine Vereinfachung des Beihilfe- und Vergaberechts, die Berücksichtigung der Besonderheiten des deutschen Sparkassenwesens, eine passgenauere EU-Förderung für Landkreise und Gemeinden, praxistauglichere Vorgaben zum Klima- und Umweltschutz, die Förderung von Kommunalpartnerschaften sowie eine Stärkung der Rolle des Europäischen Ausschusses der Regionen. In allen Bereichen wird jeweils der kommunale Bezug dargestellt und werden konkrete Forderungen des Deutschen Landkreistages aufgestellt. Der Entwurf wird in den kommenden Monaten in den Gremien des DLT beraten. 

Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung kommunaler Abschlüsse 

Die kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens haben zum Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung kommunaler Abschlüsse sowie diverser anderer Gesetze Stellung bezogen. Die Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände macht deutlich, dass die Verbandsinteressen hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesetzes zur Beschleunigung kommunaler Abschlüsse divergieren. 

Grundsätzlich sprechen sich die Verbände geschlossen für Erleichterungen bei der Erstellung von Jahresabschlüssen aus: jedoch unterscheiden sich die Intentionen, in welcher Art und Weise und insbesondere für welche Kommunen (Größenverhältnisse) diese gelten sollen. Der Niedersächsische Landkreistag (NLT) sieht die weitgehende Möglichkeit des Verzichts auf eine Jahresabschlussprüfung auch bei größeren Kommunen kritisch. 

Referentenentwurf eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes 

Das Bundesfinanzministerium hat dem Deutschen Landkreistag (DLT) den Referentenentwurf eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes übersandt. Er enthält u.a. die Überführung der Arbeitsförderung für junge Menschen unter 25 Jahren vom SGB II in das SGB III (s. dazu Beitrag auf S. 1). Der DLT hat dies in seiner Stellungnahme zu dem Entwurf erneut nachdrücklich abgelehnt und informiert hierzu wie folgt: 

– Beim Elterngeld soll die Grenze des zu versteuernden Einkommens, bis zu der der Anspruch auf Elterngeld besteht, für Alleinerziehende sowie für Personen mit gemeinsamen Elterngeldanspruch auf einheitlich 150.000 Euro festgelegt werden.
– Das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ soll aufgelöst und in den Kernhaushalt überführt werden.
– Durch eine Ergänzung der Zweckbestimmung des Sondervermögens „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) im Klima- und Transformationsfondsgesetz soll die zentrale Veranschlagung der Fördermittel für die Mikroelektronik im KTF geregelt sowie die Finanzierung der Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes aufgenommen werden.
– Erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren (U25) sollen die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nicht mehr durch die Jobcenter, sondern durch die Agenturen für Arbeit erhalten.
– In der Rentenversicherung soll der Steuerzuschuss des Bundes gemindert werden.
– In der Pflegeversicherung soll der Steuerzuschuss des Bundes für die Jahre 2024 bis 2027 entfallen. Um die Finanzstabilität der sozialen Pflegeversicherung nicht zu gefährden, wird zur Gegenfinanzierung die Zuführung an den Pflegevorsorgefonds für die Jahre 2024 bis 2027 reduziert.
– Im Brennstoffemissionshandelsgesetz soll der CO2-Preispfad für die Jahre 2024 und 2025 geändert werden.
– Schließlich soll mit der Änderung des Bundeswehrfinanzierungs- und Sondervermögensgesetzes ein flexiblerer Einsatz der Mittel des Sondervermögens Bundeswehr ermöglicht werden, um die materielle Ausstattung der Bundeswehr noch besser zu befördern. Daneben soll die auch gegenüber der NATO getätigte Zusage, dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung aufzuwenden, erfüllt werden. 

Wachstumschancengesetz: Aktueller Stand 

Die zum Kabinett am 16. August 2023 gefertigte und auf das Veto von Bundesfamilienministerin Lisa Paus hinsichtlich der Kindergrundsicherung gestoßene geänderte Fassung des Entwurfs des sog. Wachstumschancengesetzes hat z.T. der kommunalen Kritik Rechnung getragen und die kommunalen Mindereinnahmen etwas reduziert. Es bleibt aber bei der grundsätzlichen Kritik, dass diese Mindereinnahmen in der derzeitigen Situation kommunal kaum tragbar sind. 

Für die Kabinettsbefassung wurde nach Angaben des Deutschen Landkreistages (DLT) ein überarbeiteter Entwurf vorgelegt, der auch den kommunalen Bedenken Rechnung tragen sollte. Neu vorgesehen ist die befristete Einführung einer degressiven Abschreibung, die die Kommunen in der vollen Jahreswirkung mit -820 Millionen Euro belastet und sich v.a. in den Haushaltsjahren 2025 bis 2027 mit milliardenschweren Mindereinnahmen auswirken wird. Die geplante befristete Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung von 2024 bis 2027 und die ab 2028 vorgesehene Anhebung des Sockelbetrags beim Verlustvortrag auf zehn Millionen Euro bzw. 20 Millionen Euro bei Zusammenveranlagung soll durch eine befristete Anhebung der Prozentgrenze von 60 und 70 Prozent und einer Befristung auf vier Jahre ersetzt werden, was eine Minderung der kommunalen Mindereinnahmen um eine Milliarden Euro p.a. bedeutet. Unter dem Strich reduzieren sich in der vollen Jahreswirkung die kommunalen Mindereinnahmen von -1,931 Milliarden Euro p.a. auf -1,488 Milliarden Euro. 

Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz 

Das Bundeskabinett hat am 16. August 2023 den Entwurf eines Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – (MinBestRL-UmsG) beschlossen. Er ist weiterhin in der vollen Jahreswirkung dauerhaft mit geringfügigen Mehreinahmen von Bund und Ländern sowie kommunalen Mindereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe verbunden. Auf die geplante Abschaffung der Lizenzschranke (§ 4j EStG) sowie die Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht von Hinzurechnungsbeträgen wird aber verzichtet. Sie werden durch eine kommunalfreundlichere Regelung ersetzt. 

Die kommunalen Mindereinnahmen in der vollen Jahreswirkung sind gegenüber dem Referentenentwurf um rund 130 Millionen Euro reduziert. Weiterhin ist es jedoch nur die kommunale Ebene, die Mindereinnahmen in der Größenordnung von rd. 139 Millionen Euro pro Jahr hinnehmen muss. 

Neuausrichtung des Krisenmanagements 

Die Niedersächsische Landesregierung hat laut einer Pressemitteilung der Staatskanzlei in ihrer Kabinettssitzung am 22. August 2023 die Neuausrichtung des ressortübergreifenden Krisenmanagements unter Leitung des Ministeriums für Inneres und Sport beschlossen. Zudem wurde entschieden, dass dort zum 1. Januar 2024 die Abteilung „Brand- und Katastrophenschutz, Rettungswesen“ neu eingerichtet wird. 

Kommt es zu einer größeren Schadenslage oder Krisensituation, die eine Bündelung der Ressourcen ressortübergreifend erfordert oder bei der mehr als ein Ressort betroffen ist, beruft das Kabinett künftig einen Landeskrisenstab (LKS) ein. Dieser Landeskrisenstab kann bei einer Katastrophenlage zum Landeskatastrophenschutzstab (LKatStab) nach § 6 Abs. 3 NKatSG aufwachsen. Der LKatStab wird auch im Spannungs- oder Verteidigungsfall (Artikel 80a, 115a ff. GG) einberufen. Bei abklingenden Lagen kann dieser geordnet über den Landeskrisenstab in die Alltagsorganisation zurückgeführt werden. 

Der Landeskrisenstab wird durch die Staatssekretärin oder den Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport geleitet. Das Ressortprinzip gilt unverändert, das bedeutet, dass immer dann, wenn es irgend möglich und notwendig ist, Kabinettsentscheidungen herbeigeführt werden. Sollte dies in absoluten Eilfällen nicht möglich sein, wird der Ministerpräsident von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen. Darüber hinaus gehören dem Landeskrisenstab Ständige Mitglieder, Ereignisbezogene Mitglieder, Stabspersonal, Verbindungsbeamtinnen und -beamte sowie Fachberaterinnen und -berater an. 

Die Ressorts sind mit ihrer Fachexpertise und Entscheidungskompetenz wesentlicher Bestandteil dieser besonderen Krisenbewältigungsorganisation. Deshalb wird jedes Ressort künftig Personal für die Stabsarbeit im LKS bereithalten und bei Bedarf abstellen. Die Schulung des Personals für die Stabsarbeit übernimmt das Niedersächsische Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz (NLBK). 

Vorbehaltlich der Schaffung der haushaltsmäßigen Voraussetzungen mit dem Haushalt 2024 wird im Ministerium für Inneres und Sport zum 1. Januar 2024 die Abteilung „Brandund Katastrophenschutz, Rettungswesen“ neu eingerichtet. Diese Abteilung soll dann das neue Referat „Grundsatz- und Rechtsangelegenheiten“ sowie die drei bisher in Abteilung 3 ansässigen Referate „Brandschutz“, „Katastrophenschutz, Kompetenzzentrum Großschadenslagen“ und „Militärische Angelegenheiten, Rettungswesen“ umfassen. 

Formulierungshilfe für ein Krankenhaustransparenzgesetz 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat dem Deutschen Landkreistag (DLT) den Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung für ein Gesetz zur Förderung der Qualität der stationären Versorgung durch Transparenz (Krankenhaustransparenzgesetz) übersandt. Es ist beabsichtigt, die Formulierungshilfe als Initiative der Koalitionsfraktionen in den Deutschen Bundestag einzubringen. Mit dem Gesetz soll die bereits bestehende Berichterstattung über die stationäre Qualität der Leistungserbringung weiterentwickelt und ergänzt werden. 

Zur Erhöhung der Transparenz soll das BMG künftig zur Information und Aufklärung von Patientinnen und Patienten aktuelle sowie fortlaufend aktualisierte Daten über das Leistungsangebot und Qualitätsaspekte des stationären Versorgungsgeschehens in Deutschland im Internet in Form eines Transparenzverzeichnisses veröffentlichen dürfen. Dafür sollen die Krankenhäuser Versorgungsstufen (Level) zugeordnet sowie die Verteilung der Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte dargelegt werden. 

Die Veröffentlichung des Transparenzverzeichnisses soll ausweislich des Entwurfs keine Auswirkungen auf die Krankenhausplanung der Länder und für die Krankenhausvergütung haben. Die Leistungsgruppen würden ausschließlich zum Zweck der Veröffentlichung im Transparenzverzeichnis benannt. Die Definition und Ausgestaltung der Leistungsgruppen bleibe der Krankenhausreform vorbehalten. 

Der DLT kann die Motivation für die Schaffung einer Rechtsgrundlage für ein Krankenhaustransparenzregister nachvollziehen, sieht allerdings auch implizite Risiken durch eine solche Außendarstellung in Form von Ranglisten und möglicherweise nicht hinreichend differenzierten Bewertungen über ein einfach gestaltetes Internetverzeichnis. Die Geschäftsstelle des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) beurteilt diesen Vorgriff des Bundesgesetzgebers auf die noch in der Vorbereitung befindliche Krankenhausreform des Bundes äußerst kritisch. 

Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung verkündet 

Das Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung ist im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Das Gesetz enthält deutliche Erleichterungen beim Erwerb der Blauen Karte EU sowie Erleichterungen bei der Bildungsmigration. Dies betrifft beispielsweise die Zuwanderung von Fachkräften mit Berufsausbildung ebenso wie Fachkräfte mit akademischer Ausbildung. Diesen Personen stehen nunmehr Anspruchstitel zu. 

Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf sieht das Gesetz auch die Möglichkeit eines sogenannten „Spurwechsels“ für Asylbewerber vor, über deren Antrag noch nicht entschieden wurde und die vor dem 29. März 2023 eingereist sind. Das Gesetz tritt in weiten Teilen am 1. März 2024 in Kraft, maßgebliche Änderungen im Aufenthaltsgesetz insbesondere auch mit Blick auf die Blaue Karte EU treten allerdings bereits am 18. November 2023 in Kraft. 

Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht 

Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat einen Diskussionsentwurf zur Anpassung der Datenübermittlungsvorschriften im Ausländer- und Sozialrecht vorgelegt. In Umsetzung der Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenzen vom 10. Mai 2023 und 15. Juni 2023 ist vorgesehen, dass künftig auch Daten insbesondere über den Bezug von Sozialleistungen im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert und zwischen Ausländerund Leistungsbehörden automatisiert ausgetauscht werden können. Dies betrifft auch die Daten von Personen, die eine ausländerrechtliche Verpflichtungserklärung abgegeben haben. Ein erweiterter Datenaustausch ist auch mit den Justizvollzugsanstalten vorgesehen. 

Darüber hinaus sollen Staatsangehörigkeits- und Ausländerbehörden künftig einen erweiterten Zugriff auf die Daten des AZR erhalten. Soweit die Behörden zum automatisierten Abruf der Daten berechtigt sind, müssen sie bis zu einem noch festzulegenden Zeitpunkt die hierfür erforderlichen technischen Voraussetzungen schaffen. Bei der Durchführung von Identitätsprüfungen haben die Ausländerbehörden künftig bundeseinheitliche IT-Sicherheitsstandards für die Datenverarbeitung zu beachten. 

Ausgaben nach dem Asylbewerberleistungsgesetz 2022 

Im Jahr 2022 gaben die Träger des Asylbewerberleistungsgesetzes rund 6,5 Milliarden Euro brutto aus. Das waren 52 Prozent mehr als im Vorjahr. Waren in den Jahren nach der sog. Flüchtlingskrise 2015/2016 die Ausgaben kontinuierlich zurückgegangen, haben sie in 2021 erstmals wieder zugenommen und sind in 2022 wie erwartet massiv gestiegen. Nur ein Teil der Zunahme geht auf Geflüchtete aus der Ukraine zurück, da diese nach dem sog. Rechtskreiswechsel spätestens seit September 2022 in der Regel nicht mehr unter das AsylbLG fallen, sondern SGB II-Leistungen erhalten. In Niedersachsen stiegen die Ausgaben um 57,2 Prozent auf 661 Millionen Euro. 

Rund 81 Prozent der AsylbLG-Ausgaben im Jahr 2022 wurden für Regelleistungen (Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 2 AsylbLG, sog. Analog-Leistungen) erbracht. 19 Prozent entfielen auf besondere Leistungen, die in speziellen Bedarfssituationen wie Krankheit, Schwangerschaft oder Geburt gewährt werden, auf Arbeitsgelegenheiten und sonstige Leistungen. 

Den Bruttoausgaben stehen im AsylbLG traditionell nur sehr geringe Einnahmen gegenüber, wie z. B. Rückzahlungen gewährter Hilfen oder Leistungen von anderen Sozialleistungsträgern. Im Jahr 2022 waren dies 306,7 Millionen Euro. Die Nettoausgaben betrugen somit knapp 6,2 Milliarden Euro, das sind 49,8 Prozent mehr als im Vorjahr. 

Entwurf eines Änderungsgesetzes zum Bundesdatenschutzgesetzes 

Das Bundesinnenministerium hat den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vorgelegt. Mit dem Gesetzentwurf soll maßgeblich eine sogenannte Datenschutzkonferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder institutionalisiert werden. Weitere Regelungen betreffen die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume sowie Klarstellungen zur zuständigen federführenden Datenschutzaufsichtsbehörde. 

BMDV veröffentlicht erweiterte Version der Potenzialanalyse 

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat eine erweiterte Version der Potenzialanalyse für den eigenwirtschaftlichen Glasfaserausbau veröffentlicht. Die Analyse erstreckt sich nunmehr auch auf die Gemeindeebene. 

Die Potenzialanalyse kann im Internet unter www.bmdv.bund.de/potenzialanalyse abgerufen werden. Das Gigabitbüro des Bundes hält ein umfangreiches Angebot zur Unterstützung bei der Nutzung der Potenzialanalyse bereit. Weitere Informationen dazu stehen auf der Homepage des Gigabitbüros (www.gigabitbuero.de/ewa) zur Verfügung. 

Wohngeld- und Mietenbericht 2021/2022 liegt vor 

Der Wohngeld- und Mietenbericht für die Jahre 2021/2022 ist am 21. Juni 2023 vom Bundeskabinett beschlossen worden (BT-Drs. 20/7165 vom 28. Juni 2023). Nach § 39 WoGG berichtet die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre über die Entwicklung des Wohngeldes unter Berücksichtigung der bundesdurchschnittlichen und regionalen Wohnkosten. In die Darstellung sind auch Erfahrungen der Landkreise mit der Durchführung des WoGG in den Jahren 2021 und 2022 eingeflossen. 

Eine der Kernaussagen des Berichts ist, dass sich das allgemeine Mietenniveau, das im Wesentlichen von bestehenden Mietverträgen geprägt ist, mit durchschnittlich 1,5 Prozent pro Jahr im Berichtszeitraum weiterhin moderat entwickelt hat. Inserierte Mietwohnungen wurden hingegen 2022 teurer angeboten als 2021: bestehende Wohnungen um vier Prozent und neu gebaute Wohnungen um 8,2 Prozent. Die warmen Nebenkosten sind darüber hinaus aufgrund der Energiekrise deutlich angestiegen. 

Entwurf einer Verordnung zu Ausgleichszahlungen in Wasserschutzgebieten 

Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat den Entwurf einer Verordnung nach § 28 Abs. 5 des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) im Rahmen der Verbandsanhörung zur Stellungnahme übersandt. Die Verordnung dient zur Ausgestaltung der gesetzlichen Grundsatzentscheidung, die mit der NWG-Änderung zum 1. Januar 2022 getroffen wurde. 

§ 28 Abs. 5 NWG regelt dem Grunde nach, dass das Land die nach § 52 Abs. 5 WHG gebotenen Ausgleichszahlungen an Flächenbewirtschafter in Wasserschutzgebieten zum größeren Teil übernimmt. Der Grundgedanke besteht darin, dass hinsichtlich der finanziellen Unterstützung für Wasserversorger eine gewisse Angleichung zwischen kooperativen und hoheitlichen Schutzmaßnahmen erfolgen soll, d.h. die Unterstützung für kooperative (freiwillige) Maßnahmen zum Grundwasserschutz nicht mehr erheblich besser ausfällt als diejenige für hoheitliche Schutzmaßnahmen. Die Regelung setzt eine klare Unterscheidung voraus, ob eine Ausgleichszahlung auf hoheitlichen Schutzbestimmungen beruht oder auf freiwilligen Vereinbarungen. 

Runderlass „Bestimmungen für den Schulsport“ 

Das Niedersächsische Kultusministerium (MK) hat im Zuge eines Beteiligungs- und Anhörungsverfahrens den Entwurf zur Änderung des Runderlasses „Bestimmungen für den Schulsport“ übersandt. Sie fassen für alle Schulen Niedersachsens die Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie sportfachlichen Regelungen des gesamten Schulsports zusammen, das heißt, sie regeln den Sportunterricht und den Schulsport außerhalb des Unterrichts. 

Die Neufassung berücksichtigt u.a. die Aufnahme des KMK-Boxverbots, den neuen auf KMK-Vereinbarungen basierenden Schulschwimmpass, die bundessweiten Schwimmabzeichenänderungen, die Berücksichtigung von Nichtschwimmerinnen und -schwimmern auch in höheren Schuljahrgängen, eine Rettungswestenpflicht beim Windsurfen und eine begriffliche Schärfung der Pflicht zur Teilnahme am Schulsport. 

Prägung eines Dorfgebiets durch landwirtschaftliche Nebenerwerbsbetriebe 

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Urteil vom 20. Juni 2023 (Az. 4 CN 7.21) entschieden, dass der Begriff des landwirtschaftlichen Betriebes in § 5a Abs. 1, 2 Nr. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) auch Nebenerwerbsbetriebe umfasst. In dem zugrundeliegenden Verfahren wendeten sich der Antragsteller als Miteigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen den Bebauungsplan einer Gemeinde, mit dem diese den ursprünglichen Dorfkern eines Ortsteils in seiner Struktur erhalten und vor einer ortsunüblichen Verdichtung bewahren will. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Bebauungsplan zur Bestandssicherung der Entwicklungsmöglichkeiten für die vorhandenen landwirtschaftlichen Betriebe. Er setzt nicht bebaubare Flächen für die Landwirtschaft sowie Flächen für den Gemeinbedarf (Schule und Feuerwehr) fest. 

Das BVerwG lehnt abweichend von der Vorinstanz eine Verengung des Begriffs „Betrieb“ in § 5 Abs. 2 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO als unzutreffend und bundesrechtswidrig ab. Bereits der Wortlaut der Vorschrift sei für alle Arten betrieblicher Organisationsformen offen. Zudem würden im Rahmen des Privilegierungstatbestands des § 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Baugesetzbuch Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe gleichbehandelt. Auch der Sinn und Zweck der Vorschrift gebiete es, die in § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO normierte Pflicht zur vorrangigen Rücksichtnahme vor dem Hintergrund eines Strukturwandels in der Landwirtschaft ebenso für Nebenerwerbsbetriebe gelten zu lassen. Diese könnten genauso wie Vollerwerbsbetriebe zur erforderlichen Prägung beitragen. Auch in einer Gegenüberstellung mit § 5a BauNVO gelange man zu keiner anderen rechtlichen Einschätzung. 

Verordnung zur Änderung der Gebührensätze der Wasserentnahmegebühr 

Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz hat den Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Gebührensätze nach Anlage 2 des Niedersächsischen Wassergesetzes und der Bagatellgrenze nach § 22 Abs. 4 des Niedersächsischen Wassergesetzes nebst Begründung im Rahmen der Verbandanhörung zur Stellungnahme übersandt. Mit der Änderung des Nds. Wassergesetzes (NWG) im Jahr 2021 wurde u.a. ein neuer § 22 Abs. 5 in das Gesetz eingefügt. 

Darin ist eine Grundsatzentscheidung enthalten, wonach der reale Wert der Wasserentnahmegebühr nicht durch die Geldentwertung erheblich und dauerhaft verringert werden soll. Die Landesregierung wird nach genau festgelegten Kriterien ermächtigt, bei einer Kaufkraftminderung von mehr als zehn Prozent eine Anpassung entsprechend dem Verbraucherpreisindex vorzunehmen. Hiervon hat die Landesregierung nunmehr erstmals Gebrauch gemacht und den dazu erforderlichen Verordnungsentwurf zur Anhörung der Verbände vorgelegt.