NLT-Aktuell – Ausgabe 38
Finanzen I: Kommunen werden mit Problemen alleine gelassen
Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport hat mit Schreiben vom 17. Oktober2024 Hinweise zur Finanzlage der Kommunen und die Auswirkungen auf ihre Haushaltegegeben. Darin wird eine weite Auslegung der eigentlich zum 30. Juni 2024 außer Kraftgetretenen Sonderregelungen in § 182 Abs. 5 i.V.m. Absatz 4 NKomVG vorgenommen.So sollen sämtliche Fehlbeträge der Haushaltsjahre 2022 bis 2025 Fehlbeträge als Folgedes Krieges in der Ukraine darstellen, die in der Bilanz gesondert auszuweisen sind undnach § 182 Abs. 4 Satz 2 NKomVG in einem Zeitraum von bis zu 30 Jahren gedeckt werden können. Die Frist zur Deckung aller dieser Fehlbeträge beginne mit Ablauf des Haushaltsjahres 2025. Die Vertretung könne auch nach dem 30. Juni 2024 noch beschließen,dass die Haushaltsjahre 2024 bis 2026 kein Haushaltssicherungskonzept (nach § 110Abs. 8 NKomVG) aufgestellt werde, soweit wegen der Folgen des Krieges in der Ukraineder Haushaltsausgleich nicht erreicht, eine Überschuldung nicht abgebaut oder eine drohende Überschuldung nicht abgewendet werden könne (vgl. § 182 Abs. 5 i.V.m. Absatz 4Satz 1 Nr. 3 NKomVG).
Des Weiteren werde die Kommunalaufsicht des Innenministeriums bis auf Weiteres beider Betrachtung und Bewertung der kommunalen Haushalte und der Haushaltssicherungskonzepte die kommunalen Unterstützungsleistungen für Krankenhäuser unberücksichtigt lassen. Erforderliche Investitionen in kommunale Pflichtaufgaben (Schulen, Kindertagesstätten, Brandschutz, Straßen, Krankenhäuser usw.) würden seitens der Kommunalaufsicht grundsätzlich genehmigt, auch wenn damit der Schuldendienst der Kommunesteige und in der Folge ein Anstieg der Liquiditätskredite zu erwarten sei.
Mit dem Schreiben nimmt das Land lediglich Druck aus den jetzt anstehenden kommunalen Haushaltsberatungen. Es fehlt hingegen eine Lösung der kommunalen Finanzprobleme, wie sie seitens der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Anhörung zumLandeshaushalt adressiert worden ist. Während das Land die Schuldenbremse einhält und Rücklagen zur Deckung der Haushalte bis 2028 bildet, werden die Kommunen mit ihrenfinanziellen Problemen allein gelassen und müssen sich verschulden.
Besonders irritiert, dass das Schreiben am Tag der Verabschiedung des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes durch den Deutschen Bundestag übermittelt wurde. Esist zu hoffen, dass dies nicht als Vorentscheidung der Landesregierung zu verstehen ist,seitens des Landes auf eine Anrufung des Vermittlungsausschusses im Hinblick auf diestrukturelle Lücke zur Finanzierung des Betriebs der Kliniken zu verzichten und den Kommunen auf Dauer die Verantwortung für einen Defizitausgleich aufzubürden.
Finanzen II: Stabilitätsbericht Niedersachsen 2024
Die Niedersächsische Landesregierung hat am 15. Oktober 2024 den StabilitätsberichtNiedersachsen 2024 beschlossen und den Landtag unterrichtet (LT-Drs. 19/5578). In seiner Zusammenfassung kommt das Land wie im Vorjahr zu dem Ergebnis, es könne hinsichtlich der Kennziffern zur aktuellen Haushaltslage und zur Finanzplanung und zur Projektion der mittelfristigen Haushaltsentwicklung sowie zur Einhaltung der Schuldenbremsedie Anforderungen des Stabilitätsrates ebenso wie die verfassungsrechtlichen Vorgabenerfüllen. Eine Haushaltsnotlage drohe nicht. Nach dem Überwachungsverfahren zur Einhaltung der Schuldenbremse ergebe sich bei beiden Komponenten – der landeseigenenSchuldenbremse und dem harmonisierten Analysesystem – keine Auffälligkeit.
Die kommunalen Spitzenverbände hatten bereits im Rahmen der Anhörung zum Landeshaushalt auf die Schieflage zwischen einer immer noch soliden Finanzierung des Landeshaushalts und den zunehmenden Defiziten auf kommunaler Ebene hingewiesen. Der Stabilitätsbericht bestätigt diesen Befund.
Willkommenszentren und beschleunigten Fachkräfteverfahren
Zum Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen „Willkommenszentreneinrichten – Kräfte und Ressourcen bündeln, klare Perspektiven schaffen“ (LT-Drs.19/2238) fand eine mündliche Anhörung vor dem Ausschuss für Inneres und Sport desNiedersächsischen Landtages statt. Zum Termin am 17. Oktober 2024 war die Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände (AG KSV) eingeladen. In der im Vorfeldübersandten schriftlichen Stellungnahme hat die AG KSV verdeutlicht, dass sie grundsätzlich die Bemühungen unterstützt, Integrationsprozesse zu verbessern, jedoch die Einrichtung von Willkommenszentren kritisch sieht.
Stattdessen fordert die AG KSV eine engere Zusammenarbeit zwischen Land und Kommunen, die auf die Stärkung bestehender lokaler Strukturen und Netzwerke abzielt. Einepartnerschaftliche Integrationspolitik, die vor Ort verankert ist, biete die beste Grundlagefür nachhaltigen Erfolg.
Die AG KSV wies gleichzeitig darauf hin, dass die nun offenbar in der vergangenen Woche vom Kabinett beschlossene Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde für das beschleunigte Fachkräfteverfahren gegen den ausdrücklichen Wunsch der AG KSV, gegeneine Positionierung des Deutschen Landkreistages und ohne förmliches Beteiligungsverfahren unter Einbindung der Kommunalen Spitzenverbände erfolgt ist. Diese Einrichtunglaufe dem zur Anhörung stehenden Entschließungsantrag grundlegend zuwider, da hierdurch ein bedeutender Teil des Aufgabenbereichs des „Willkommensprozesses“ aus derkommunalen Zuständigkeit herausgelöst und zentralisiert würde. Zudem werde den vorOrt zum Teil langjährig praktizierten guten Kooperationen in diesem Bereich nicht hinreichend Rechnung getragen.
Gesetz zur Änderung nachrichtendienstlicher Bestimmungen
Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat den Entwurf eines Gesetzeszur Änderung nachrichtendienstlicher Bestimmungen sowie zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes und des Niedersächsischen Gesetzes zur Ausführung des Artikel 10-Gesetzes im Wege der Verbandsbeteiligung zur kurzfristigen Stellungnahme übermittelt. Wesentliche Änderungen in dem Gesetzentwurf sind die Anpassungder in §§ 30 bis 32 NVerfSchG-E normierten Vorschriften zur Übermittlung personenbezogener Daten durch den Niedersächsischen Verfassungsschutz an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sowie die Einführung einer aufsichtlichen Kontrolle für den Fallmehrerer zeitgleich gegen eine Person eingesetzter nachrichtendienstlicher Maßnahmen.
Zudem werden insbesondere die Voraussetzungen für den Einsatz nachrichtendienstlicherMittel an die Erfordernisse einer effektiven nachrichtendienstlichen Tätigkeit angepasst.Anlass für das Änderungsgesetz sind die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts(BVerfG) vom 26. April 2022 (Az. 1 BvR 1619/17) zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz und vom 28. September 2022 (Az. 1 BvR 2354/13) zu Vorschriften des Bundesverfassungsschutzgesetzes.
Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat die Entwürfe zweier Gesetzezur Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen EuropäischenAsylsystems (GEAS) übermittelt. Das reformierte GEAS besteht aus insgesamt elf europäischen Rechtsakten, die ganz überwiegend unmittelbar in Deutschland anwendbare Regelungen enthalten. Das hat insbesondere zur Folge, dass wesentliche Teile vor allem desAsylgesetzes ersatzlos gestrichen werden müssen. Die vorliegenden Entwürfe enthaltendarüber hinaus neue Rechtsvorschriften, mit denen die Regelungen des GEAS ausgefülltwerden sollen. Schließlich müssen Zuständigkeiten festgelegt werden.
Unmittelbar betroffen können die Landkreise insbesondere durch Änderungen im Aufenthalts- sowie im Asylbewerberleistungsgesetz sein. Soweit die Länder eine Zuständigkeitder Landkreise anordnen, können diese in den Vollzug der sogenannten Screening-Verordnung einbezogen sein. Für das Asylrecht ist insbesondere auf das neue Grenzverfahren hinzuweisen. Im Asylbewerberleistungsgesetz soll es, neben Leistungskürzungen,auch eine Ausweitung der Gesundheitsleistungen für Minderjährige geben.
Deutschland-Ticket: Erstattung von Mindereinnahmen der Aufgabenträger
Für den Ausgleich der Fahrgeldmindereinnahmen durch Einführung des Deutschland-Tickets haben Bund und Länder nun auch die „Mustererstattungsrichtlinie“ für 2025 beschlossen. Sie legt fest, welche Ausgaben den Aufgabenträgern erstattet werden, die denTarif anordnen und den Ausgleich gegenüber den Verkehrsunternehmen im Rahmen derVerordnung (EG) Nr. 1370/2007 organisieren. Der Ausgleich über die Mustererstattungsrichtlinie erfolgt weiterhin entsprechend der Systematik des Corona-Rettungsschirms, indem auf das Niveau der Fahrgeldeinnahmen des Jahres 2019 (dynamisiert) aufgefülltwird; dabei wird auch für das Jahr 2025 ein pauschaler Ausgleich in Höhe von 1,3 Prozentfür Verkehrszuwächse gewährt und darüber hinaus ein Ausgleich für tatsächlich nachgewiesene zusätzliche Mehrverkehre (Mehrverkehrsfaktor).
Für den Ausgleich der Mindereinnahmen im Rahmen der Rettungsschirmsystematik wirdfür Tarifanpassungen in den Jahren 2023 bis 2025 ein Tarifdeckel von insgesamt 13,5Prozent bestimmt, so dass höhere Tarifanpassungen beim Schadensausgleich nicht berücksichtigt werden. Die Mustererstattungsrichtlinie bedarf noch der Umsetzung in den einzelnen Ländern durch eigene Erstattungsrichtlinien.
Jahressteuergesetz 2024: Kommunalen Anliegen wird Rechnung getragen
Der federführende Finanzausschuss des Deutschen Bundestages hat den Entwurf desJahressteuergesetzes 2024 mit zahlreichen Änderungen gebilligt. Bei den Bildungseinrichtungen beschränkt sich der Entwurf nun darauf, die Vorgaben des europäischen Rechtsumzusetzen, ohne dass es zu Verschlechterungen kommen soll. Damit wird den kommunalen Anliegen zu den Musik- und Volkshochschulen Rechnung getragen. Die Umsatzsteuerbefreiung des (Vereins-)Sports wurde, wie kommunal gefordert, ersatzlos gestrichen. Das Mobilitätsbudget wurde ebenfalls gestrichen.
Referentenentwurf für ein „Vergabetransformationspaket
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat am 18. Oktober 2024den Referentenentwurf für das „Vergabetransformationspaket“ übersandt. Das Paket umfasst knapp 200 Änderungen im Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), den Vergabeverordnungen (VgV, KonzVgV, SektVO) und der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), die das Vergaberecht im Bereich der Ober- und derUnterschwelle „vereinfachen, professionalisieren, digitalisieren und beschleunigen“ sollen.
Gleichzeitig sollen die Änderungen die öffentliche Beschaffung „wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausrichten und die Verbindlichkeit [dieser Kriterien] stärken, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen“. Der Referentenentwurf soll bereits am 6. November2024 vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das BMWK hat nur eine unangemessenkurze Beteiligungsfrist eingeräumt.
Sicherheitspaket der Bundesregierung teilweise verabschiedet
Bundestag und Bundesrat haben dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der inneren Sicherheit und des Asylsystems mit Änderungen zugestimmt. Das Gesetz, das damitnach seiner Ausfertigung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten kann, sieht umfangreiche Änderungen des Waffengesetzes, insbesondere in Gestalt von Messerverboten vor.Im Asylgesetz wird unter anderem klargestellt, dass unberechtigte Heimreisen ebenso wiedas Begehen bestimmter Straftaten die Schutzbedürftigkeit entfallen lassen können.
Für Dublin-Fälle sind Leistungskürzungen vorgesehen. Auch das Ausweisungsrecht wirdverschärft. Der Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Terrorismusbekämpfung hat dagegen nur die Zustimmung des Bundestages gefunden, wurde vom Bundesrat aber abgelehnt. Der Bundestag und die Bundesregierung können dazu nun den Vermittlungsausschuss anrufen.
Bundesnetzagentur genehmigt Antrag für das Wasserstoff-Kernnetz
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat das von den Fernleitungsnetzbetreibern vorgeschlagene Wasserstoff-Kernnetz genehmigt. Insgesamt enthält das Netz 9.040 Kilometer anLeitungen, welche sukzessiv bis 2032 in Betrieb gehen sollen. Davon werden rund 60 Prozent von Gas auf Wasserstoff umgestellt und 40 Prozent neu gebaut. Die erwarteten Investitionskosten betragen 18,9 Milliarden Euro. Weiterführende Informationen stellt dieBNetzA im Internet zur Verfügung: https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Wasserstoff/Kernnetz/start.html.
Wohngeldstatistik 2023: Starker Anstieg durch Wohngeld-Plus
Das Statistische Bundesamt hat die Wohngeldstatistik 2023 veröffentlicht. Danach bezogen zum Jahresende rund 1,2 Millionen Haushalte Wohngeld, was 2,8 Prozent aller privaten Hauptwohnsitzhaushalte entspricht. Damit ist die Zahl der betreffenden Haushalte gegenüber dem Jahr 2022 um 80 Prozent oder rund 521.700 gestiegen. Am Jahresende2022 hatten noch rund 651.800 Haushalte Wohngeld bezogen. Dieser starke Anstieg erklärt sich mit dem zum 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Wohngeld-Plus-Gesetz, durchdas mehr Haushalte einen Wohngeldanspruch erhalten haben. Zudem wurde das Leistungsniveau erhöht.