NLT-Aktuell – Ausgabe 09

„Lüneburger Appell“: Gesundheitsversorgung akut bedroht 

Die Krankenhäuser sind unterfinanziert, im Land besteht ein gigantischer Investitionsstau, die Versorgung durch Arztpraxen schwindet, der Öffentliche Gesundheitsdienst muss weiterentwickelt werden: Die medizinische Versorgung in der Fläche ist in allen Säulen des Gesundheitssystems akut bedroht. „Das ist alarmierend. Die niedersächsischen Landkreise appellieren eindringlich an alle Verantwortlichen in Bund und Land, umgehend zu reagieren“, erklärte Frieslands Landrat Sven Ambrosy, Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) in einer Pressemitteilung. 

Mit dem „Lüneburger Appell“ legte der NLT ein Positionspapier vor. Es wurde bei der 83. Landkreisversammlung des NLT in der vergangenen Woche in Adendorf, Landkreis Lüneburg, beschlossen. Zwei Tage tauschen sich dort die Delegierten der 36 niedersächsischen Landkreise und der Region Hannover zu wesentlichen landes- und bundespolitischen Themen aus. „Wir haben die Versammlung unter das Motto gestellt ,Medizinische Versorgung in der Fläche sichern‘. Das zeigt, wie drängend die Probleme hier sind“, betonte NLT-Präsident Ambrosy. Das Positionspapier wurde von den Delegierten schon im Vorfeld engagiert diskutiert. Teils berichteten sie eindringlich von Erfahrungen in den Landkreisen. „Das Thema treibt uns um. Der ,Lüneburger Appell‘ fasst unsere Positionen zusammen. Er ist eine scharfe Analyse und enthält konkrete Forderungen“, stellte Ambrosy fest. 

Die größte Sorge bereitet den Landkreisen die Krankenhausversorgung. „Das bisherige System der Finanzierung des laufenden Betriebs hat zu einer gewaltigen Schieflage geführt. Vier von fünf niedersächsischen Krankenhäusern erwirtschaften trotz guter Arbeit Defizite. Statt dort konsequent gegenzusteuern werden auf Bundesebene Reformpläne diskutiert, die sich mit dem modernen niedersächsischen Krankenhausgesetz nicht im Ansatz vertragen. Ihre Realisierung würde zu einem massiven Sterben von Krankenhäusern in der Fläche führen. Diese Pläne müssen vom Tisch“, so Ambrosy.  

Gleichzeitig müsse das Land Niedersachsen mit einem Sonderprogramm die Grundlage einer zukunftsfähigen Krankenhausstruktur legen. „Der Investitionsstau beträgt derzeit 2,6 Milliarden Euro und wächst stetig auf. Das Land muss die größte Baustelle der öffentlichen Infrastruktur in dieser Wahlperiode endlich in Angriff nehmen. Die Landkreise und die Region Hannover unternehmen erhebliche Anstrengungen für eine qualitativ hochwertige, flächendeckende Krankenhausstruktur. Sie können aber nicht allein die Defizite der gesetzlich in der Verantwortung stehenden Kostenträger auf Bundes- und Landesebene ausbügeln,“ fasste Ambrosy die Situation zusammen. 

Das NLT-Positionspapier stellt den Reformbedarf in fünf Bereichen dar: 

  • der Krankenhausfinanzierung mit Blick auf die wirtschaftlich bedrohliche Lage der Häuser; 
  • die Krankenhausplanung mitsamt den dringend erforderlichen Investitionen; 
  • die medizinische Versorgung im ländlichen Raum durch Arztpraxen und Regionale Gesundheitszentren; 
  • den Öffentlichen Gesundheitsdienst und dessen erforderliche Stärkung; 
  • der Notfallversorgung mit der Sorge um die Notaufnahmen und die drohende Überlastung des Rettungsdienstes. 

Der „Lüneburger Appell“ ist abrufbar unter https://link.nlt.de/lgappell

83. Landkreisversammlung: Austausch mit Innenministerin Behrens 

Die Innenpolitik stand am ersten Tag der 83. Landkreisversammlung des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) im Mittelpunkt. Innenministerin Daniela Behrens war am 9. März zum Austausch nach Adendorf, Landkreis Lüneburg, gekommen. Sie stellte die aktuellen Herausforderungen dar und tauschte sich mit den Delegierten über die Zusammenarbeit von Land und Landkreisen aus. 

In ihrer Rede nahm Ministerin Behrens Stellung zur Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten in Niedersachsen. Als Kommunalministerin sprach Sie mit den Vertreterinnen und Vertretern der Landkreise sowie der Region Hannover über die besorgniserregende Lage der kreislichen Haushalte und Fragen der Kommunalverfassung. Schließlich ging die Ministerin auf die Stärkung des Brand- und Katastrophenschutzes ein. 

„Sorgen macht uns die dramatische Verschlechterung der Haushaltssituation vieler Landkreise“, sagte NLT-Präsident Sven Ambrosy im Anschluss. „Große Einigkeit besteht darin, dass wir dringend ein mächtiges Signal für die Stärkung des Bevölkerungsschutzes brauchen, um uns in den durch den Ukraine-Krieg mehr denn je drängenden Zukunftsthemen des Katastrophenschutzes angemessen aufzustellen“, so Ambrosy weiter. „Die Verlängerung der Amtszeit der Landräte und Bürgermeister – vorzugsweise wieder auf acht Jahre – ist ein wichtiges Anliegen des Landkreistages. Wir freuen uns über erste Signale, dass es hier Veränderungen geben kann,“ fasste er die Erörterungen mit der Innenministerin zusammen. 

„Die Unterbringung der Vertriebenen und Flüchtlinge stellt das Land wie auch die Kommunen vor große Herausforderungen. Wir haben die Erstaufnahmekapazität auf Landesebene im vergangenen Jahr nahezu verdreifacht und werden sie weiter ausbauen. Gleichzeitig werden wir mit einer neuen Strategie die Landesaufnahmebehörde zukunftsfest aufstellen – insgesamt mehr, aber dafür kleinere Standorte sollen sowohl für die Vertriebenen und Flüchtlinge als auch für die Kommunen insgesamt bessere Rahmenbedingungen bieten“, sagte Ministerin Daniela Behrens. „Auch ich beobachte die sich verschlechternde Haushaltssituation vieler Landkreise mit Sorge. Wir werden uns das gemeinsam mit den kommunalen Vertreterinnen und Vertretern genau anschauen und über mögliche Lösungen sprechen. Außerdem haben wir im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes mit der geplanten Novelle des Brandschutzgesetzes eine große Aufgabe vor uns, die wir nur mit der kommunalen Expertise bewältigen können. Den aktuellen Ausbildungsstau beim Landesamt für Brand- und Katastrophenschutz werden wir außerdem sukzessive abbauen.“ 

83. Landkreisversammlung: Verlässlichkeit in der Krise 

„Coronakrise, Flüchtlingsunterbringung, Kita und Schule, Klimawandel, öffentlicher Personennahverkehr und viele andere Themen: Die Landkreise kümmern sich um Themen, die das Leben der Menschen prägen.“ So fasste es der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) Sven Ambrosy die Beratungen bei der Landkreisversammlung zusammen. Zwei Tage lang haben die Delegierten in der vergangenen Woche über wesentliche Herausforderungen der Kommunen beraten. 

Die Landkreise suchten den Dialog und die enge Abstimmung mit der Landespolitik; sie böten Verlässlichkeit und bräuchten Unterstützung, sagte Ambrosy im öffentlich Teil der Veranstaltung am Freitag, 10. März. Mehr als 250 Gäste – die Spitzen von Landespolitik und Verwaltung, Verbänden und Institutionen – waren zur Landkreisversammlung gekommen, darunter Ministerpräsident Stephan Weil, Landtagspräsidentin Hanna Naber und der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Dr. Kay Ruge. Ambrosy rief in seiner verbandspolitischen Rede den „rechtspolitischen und emotionalen Parforceritt“ der Corona-Verordnungen in Erinnerung, um das enge Zusammenwirken mit der Landesregierung zu betonen. Zugleich stellte er klar, dass der Landtag mit der Änderung der Kommunalverfassung ohne Anhörung des NLT dessen verbürgten Rechte verletzt habe; eine Klage beim Staatsgerichtshof sei eingereicht. 

Bei aktuellen Aufgaben hob Ambrosy die Unterbringung von Flüchtlingen hervor. „Wir sehen das Leid und wollen Schutzbedürftigen weiter helfen. Die Kommunen dürfen aber finanziell und organisatorisch nicht überfordert werden“, mahnte er Unterstützung von Bund und Land an. Später in seiner Rede wies er auf das Defizit von 530 Millionen Euro der Kreisetats in 2023 hin: „Die Haushaltsplanung ist so dramatisch wie seit Jahrzehnten nicht mehr.“ Punkt für Punkt listete Ambrosy auf, wo Mittel fehlen und wo sie benötigt werden. 

Bei den künftigen Herausforderungen zeigte Ambrosy am Beispiel des Windenergieausbaus Chancen für Zusammenarbeit auf. „Die Windkraft ist bei den Landkreisen in guten Händen“, sagte er mit Blick auf die kürzesten Genehmigungsverfahren deutschlandweit. Zugleich erforderten die ehrgeizigen Ziele stabsähnliche Arbeitsstrukturen und ein Kompetenzzentrum Wind des Landes. Im Zusammenhang mit dem Deutschland-Ticket forderte Ambrosy den Ausbau des ÖPNV in der Fläche. Ein Schwerpunkt seiner Rede war zudem die Sorge um die medizinische Versorgung in Niedersachsen; die Landkreisversammlung verabschiedete dazu den „Lüneburger Appell“ (siehe oben). 

Zum Abschluss kam NLT-Vizepräsident Cord Bockhop auf die Rolle der Landkreise zurück: „Wer sorgt sich angesichts der starken Zunahme der Inflation, der vielen Wanderungsbewegungen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor Ort und versucht, mit den Mitteln des Sozial- und Jugendhilferechts gegenzusteuern“, fragte Bockhop. Dies sei die Kreisebene in Deutschland, erklärte er. „Auf uns war in der Krise immer Verlass und deshalb muss man uns auch besser einbeziehen“, so Bockhop abschließend. 

Zuwanderungspolitik: Schreiben an den Ministerpräsidenten 

In einem Schreiben an den Niedersächsischen Ministerpräsidenten fordern die kommunalen Spitzenverbände einen Kurswechsel in der Zuwanderungspolitik des Bundes und der Länder und bieten der Landesregierung eine enge, gemeinsame Zusammenarbeit an. „Wir brauchen eine gerechte Steuerung und Verteilung der Flüchtlinge und Vertriebenen in Europa, einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen vor illegaler Zuwanderung und eine Forcierung der Rückführung ausreisepflichtiger Personen“, so der Präsident des Niedersächsischen Städtetages, Oberbürgermeister Frank Klingebiel (Stadt Salzgitter). 

Die bislang vorgesehenen Bundesmittel seien keineswegs ausreichend, so der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages, Landrat Sven Ambrosy (Friesland): „Wir fordern eine vollständige und verlässliche Finanzierung der kommunalen Lasten der Zuwanderungspolitik von Bund und Land.“ 

„Es bedarf effektiver Konzepte und Finanzmittel, um die zugewanderten Menschen besser zu integrieren und in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Einen für 2023 vorhergesagten Zuwachs von über 300.000 Menschen über die Balkan- und Mittelmeerroute werden wir sonst personell, finanziell und organisatorisch nicht abwickeln können“, so der Präsident des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Marco Trips. 

Übereinstimmend stellen die Präsidenten Klingebiel, Ambrosy und Dr. Trips fest: „Die niedersächsischen Kommunen haben in der Vergangenheit schutzsuchenden Menschen stets geholfen und wollen dies auch künftig gerne tun. Die Zuwanderung stellt die Kommunen in Niedersachsen aber in der derzeitigen Form vor einen aktuell nicht mehr lösbaren Finanzierungs-, Organisations- und Integrationsdruck. Wir erwarten, dass sich das Land beim Bund für eine neue Zuwanderungspolitik einsetzt.“ 

Landeshaushalt: Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2023 

Die Landesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2022/2023 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2023) in den Landtag eingebracht. Danach sollen die Einnahmen und Ausgaben um knapp 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf insgesamt 42 Milliarden Euro erhöht werden. Geplant wird mit einem negativen Finanzierungssaldo von 52 Millionen Euro. Nach der Begründung werden mit dem Entwurf Veranschlagungen des Nachtragshaushalts 2022/2023 konkretisiert, die dort zunächst global ausgewiesen wurden, und schichtet diese nun in die jeweiligen Ressorts um (z.B. in Zusammenhang mit dem 970 Millionen Sofortprogramm). 

Dem Vernehmen nach beabsichtigt die Landesregierung mit diesem Nachtrag die Steuerverbundabrechnung im kommunalen Finanzausgleich für das Jahr 2022 in Höhe von 115 Millionen Euro zu veranschlagen. Diese Summe würde der Zuweisungsmasse des Jahres 2023 zuwachsen. Weiter soll auch der gefundene Kompromiss zur Flüchtlingsfinanzierung 2023 etatisiert werden. Nach einer Presseinformation der Staatskanzlei gehen 362 Millionen Euro unmittelbar an die Kommunen, die zu großen Teilen zur Bewältigung des Fluchtgeschehens eingesetzt werden sollen. Diesem Zweck dienen ebenfalls 110 Millionen Euro für die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) für laufende Ausgaben und zur Erhöhung der Aufnahmekapazitäten. Weitere zwölf Millionen Euro sollen für die Fortsetzung der Förderung von Sprach-Kitas verwendet werden. Damit reagiert die Landesregierung auf den Wegfall der Bundesmittel ab Mitte 2023. Um die Förderung auch über das Jahr 2023 hinaus abzusichern, enthält der Beschluss der Landesregierung zudem Verpflichtungsermächtigungen von 38 Millionen Euro für die Jahre 2024 und 2025. Bereits in diesem Jahr stehen darüber hinaus weitere 68 Millionen Euro für die Fortsetzung der Richtlinie Qualität in Kitas und die Dynamisierung der Jahreswochenstundenpauschale zur Verfügung. 

Gemeindeanteile an der Einkommensteuer und an der Umsatzsteuer 

Das Landesamt für Statistik Niedersachen (LSN) hat die Gemeindeanteile an der Einkommen- und der Umsatzsteuer für März 2023 mitgeteilt. Damit ist ein Überblick über das erste Quartal des Jahres möglich. 

Beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer hat das LSN einen Betrag von 303,8 Millionen Euro für März 2023 angekündigt. Für das gesamte erste Quartal beläuft sich die Zahlung damit auf 1,145 Milliarden Euro. Dies sind 1,3 Prozent mehr als zum vergleichbaren Vorjahreszeitpunkt (+ 16 Millionen Euro). Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass anders als in 2022 die Abrechnung aus dem Vorjahr nur bei 6,1 Millionen Euro liegt (vorher 120 Millionen Euro). Insoweit bewegt sich der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer derzeit noch insgesamt unter dem Niveau des Vorjahres. 

Beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer sollen im März 2023 59,7 Millionen Euro (+ 3,8 Prozent) ausgezahlt werden. Im ersten Quartal stehen damit 178,3 Millionen Euro (- 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr) zur Verfügung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass hier noch zeitlich nachlaufend in den ersten beiden Monaten des Jahres negative Veränderungsraten, wegen der Reduzierung des Festbetrages des Bundes in 2022 beim Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer, festzustellen waren. Im März war die Entwicklung hingegen positiv. Insoweit dürfte nach heutigem Stand im Gesamtjahr die Entwicklung noch erfreulicher verlaufen. 

Einführung eines Deutschland-Tickets 

Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Neuntes Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes, mit dem die Einführung des sogenannten Deutschland-Tickets zum 1. Mai 2023 finanziell begleitet werden soll, haben die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene kritisch Stellung genommen. Sie haben nachdrücklich kritisiert, dass der Gesetzentwurf des Bundes und die geplanten begleitenden Umsetzungsmaßnahmen der Länder noch erhebliche Regelungsdefizite aufweisen. Eine flächendeckende und rechtssichere Einführung zum 1. Mai 2023 ist damit nicht gewährleistet. 

Die kommunalen Spitzenverbände haben gemeinsam ihre Sorge unterstrichen, dass die zusätzlichen drei Milliarden Euro an Regionalisierungsmitteln für das Deutschland-Ticket sich lediglich in Tarifvorteilen für die Menschen erschöpfen, die ohnehin den ÖPNV nutzen. Ein flächenhafter Zugewinn von ÖPNV-Nutzern ist nur über einen entsprechenden Angebotsausbau zu erreichen. Die erforderlichen Mittel müssten – wegen der Planungsvorläufe und der Dauer der Vergabeverfahren – zeitnah noch in 2023 durch eine weitere Änderung des Regionalisierungsgesetzes zur Verfügung gestellt werden, damit die Mittel zumindest ab 2025 auf Schiene und Straße ankommen. Wesentliche Kritikpunkte gegenüber dem Gesetzentwurf und den (fehlenden) Umsetzungsmaßnahmen der Länder sind: 

  • Es droht ein „Flickenteppich“, weil ein Anwendungsbefehl für das Deutschland-Ticket fehlt. Der Bund will den Tarif aus nachvollziehbaren verfassungsrechtlichen Gründen nicht verbindlich vorgeben, weil ihm die Regelungskompetenz dafür fehlt (und vermutlich auch aus Sorge, dann möglicherweise selbst voll ausgleichspflichtig zu werden). Gleichermaßen wollen auch die Länder (mit Ausnahme wohl nur von Baden-Württemberg) in ihren ÖPNV-Gesetzen keinen Anwendungsbefehl geben für den Tarif, aus Sorge selbst ausgleichspflichtig zu werden. Die Einführung des Deutschland-Tickets soll damit auf „freiwilliger“ Basis durch die Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen erfolgen. 
  • Es besteht mit Blick auf die freiwillige Umsetzung ein erhebliches Risiko, dass Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen das Ticket nicht umsetzen oder nach einiger Zeit wieder aussteigen, denn (a) das Ticket ist nicht ausfinanziert; (b) die Ausgleichsmechanismen (Einnahmenaufteilungsverfahren und Erstattungsregeln der Länder) sind nicht abschließend geklärt; (c) die beihilferechtlichen Risiken sind nicht ausgeräumt. 

Difu-Abfrage zu kommunalen ÖPNV-Finanzierungsanteilen 

Im Zusammenhang mit der Erarbeitung des im Koalitionsvertrag auf Bundesebene angekündigten „Ausbau- und Modernisierungspakts“ zwischen Bund, Ländern und Kommunen bestand der dringende Bedarf, die heute schon bestehenden ÖPNV-Finanzierungsanteile der Kommunen transparent zu machen. Die kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene hatten dazu gemeinsam mit dem Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) eine Kommunalabfrage durch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) beauftragt.  

Als wesentliche Ergebnisse der Abfrage lassen sich festhalten: 

Die eigenständigen kommunalen Finanzierungsbeiträge (d.h. die originären kommunalen Finanzierungsanteile ohne Finanzzuweisungen der Länder mit ÖPNV-spezifischer Zwecksetzung und ohne Fördermittel von Bund und Ländern) sind im Betrachtungszeitraum 2017 bis 2021 von 3,07 Milliarden Euro auf 4,17 Milliarden Euro um insgesamt 35,8 Prozent angestiegen. Das Jahr 2022, das durch weitere immense, insbesondere durch den Ukrainekrieg bedingte (Energie) Preissteigerungen geprägt war, ist dabei noch gar nicht berücksichtigt. 

Differenziert nach Landkreisen und Städten/Gemeinden zeigt sich, dass der Nettozuschussbedarf bei den Landkreisen im Kernhaushalt insgesamt größer ausfällt und im Betrachtungszeitraum sehr viel stärker angestiegen ist, nämlich von 0,936 Milliarden Euro (2017) auf 1,516 Milliarden Euro (2021) um 62 Prozent. Das liegt auch darin begründet, dass der steuerliche Querverbund mit einem Anteil von weniger als 10 Prozent nur eine untergeordnete Rolle spielt. 

Expertise der DAK-Gesundheit zur stationären Pflege 

Die DAK-Gesundheit hat den Bremer Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Heinz Rothgang mit der Expertise „Hilfe zur Pflege in Pflegeheimen – zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung der aktuellen Reformmaßnahmen“ beauftragt. Die am 21. Februar 2023 vorgestellte Analyse befasst sich mit den Finanzwirkungen, die durch die Reformelemente des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) in Bezug auf Pflegefinanzierung, Entlohnung und Personalmehrung entstehen. 

Während die zum 1. Januar 2022 eingeführten gestaffelten Leistungszuschläge nach § 43c SGB XI zu einer Entlastung der Pflegebedürftigen und der Sozialhilfeträger geführt haben, wirken alle anderen Gesetzesänderungen wie die tarifliche Entlohnung der Beschäftigung und der Personalmehrung dem entgegen. Dies hat der Deutsche Landkreistag (DLT) immer wieder betont. Die Expertise bereitet insbesondere folgende Punkte auf: 

  • Für Heimbewohner mit weniger als zweijähriger Heimpflege liegen die Gesamteigenanteile schon im Jahr 2024 höher als vor der Reform. Lediglich für Heimbewohner mit mehr als dreijähriger Aufenthaltsdauer ergibt sich eine Entlastung, die auch 2026 noch besteht. Diese Aufenthaltsdauer erreichen aber nur 30 Prozent der Pflegebedürftigen, die in eine Einrichtung einziehen. 
  • Die Sozialhilfequote in Heimen lag vor der GVWG-Reform bei 36,8 Prozent und sank im Jahr 2022 auf 30,5 Prozent. Bereits im Jahr 2026 wird sie wieder auf 36 Prozent angewachsen sein. 

Der DLT hat in Reaktion auf das Gutachten darauf hingewiesen, die mit dem GVWG eingeführten Leistungszuschläge der Pflegekassen seien ein erster Schritt in die richtige Richtung gewesen, um die Eigenanteile der Pflegebedürftigen an den pflegebedingten Aufwendungen zu begrenzen. Dieser Schritt sei aber bei Weitem nicht ausreichend. Der Hauptgeschäftsführer dies Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Prof. Dr. Hubert Meyer, hat in einem Interview mit dem NDR ebenfalls weitergehende Reformanstrengungen auf der Bundesebene angemahnt. 

Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (PUEG) vorgelegt. Damit soll die seit Längerem angekündigte neuerliche Reform der Pflegeversicherung umgesetzt werden. Der Deutsche Landkreistag (DLT) informiert zu dem 113-seitigen Entwurf wie folgt: 

  • Die Leistungszuschläge in Pflegeheimen nach § 43c SGB XI sollen ab 1. Januar 2024 um fünf bis zehn Prozentpunkte erhöht werden. 
  • In der häuslichen Pflege soll das Pflegegeld zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent erhöht werden. Parallel sollen die ambulanten Sachleistungsbeträge steigen. 
  • Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 sollen alle Geld- und Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung automatisch dynamisiert werden. Für die langfristige Leistungsdynamisierung sind Vorschläge vorgesehen. 
  • Wenn die Voraussetzungen für eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz vorliegen, soll das Pflegeunterstützungsgeld pro Kalenderjahr für bis zu zehn Arbeitstage je pflegebedürftiger Person in Anspruch genommen werden können. 
  • Zum 1. Januar 2024 soll ein gemeinsamer Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege eingeführt werden, flexibel einsetzbar für beide Leistungen. 
  • Der Beitragssatz für die Pflegeversicherung wird zum 1. Juli 2023 um 0,35 Prozentpunkte angehoben. 

Richtlinienentwürfe für künftige GRW- und EFRE-Förderung 

Das Niedersächsisches Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung (MW) hat die Entwürfe der Richtlinien für die künftige GRW- und EFRE-Förderung vorgelegt. Um den unterschiedlichen inhaltlichen Regelungen und Finanzausstattungen von GRW (Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur) und EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) Rechnung zu tragen, wurden für die beiden Finanzierungsstränge jeweils eigenständige Richtlinienentwürfe konzipiert. 

Um einen möglichst flächendeckenden Einsatz der neuen Instrumente zu ermöglichen, ist eine Kombination von EFRE und GRW derzeit nicht (mehr) vorgesehen. Damit stehen die vollen EFRE-Mittel jenen Gebieten zur Verfügung, die nicht der GRW-Gebietskulisse angehören. Zugleich werden inhaltliche Beschränkungen (insbesondere aus dem EFRE) nicht ausgeweitet. Die deutlich größeren Spielräume der GRW bleiben somit erhalten. Dies trägt auch dem Umstand Rechnung, dass der EFRE künftig nur noch ca. ein Fünftel des Finanzvolumens der GRW ausmacht. Hinzu kommt die Notwendigkeit, die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft voranzutreiben und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Diese Aspekte wurden bei der Neugestaltung der Richtlinien ebenfalls aufgegriffen und berücksichtigt. 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes 

Ein Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes sieht bereits ab dem 1. Januar 2024 die 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen vor. Daneben werden weitere Vorgaben für die Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudeenergiebereich gemacht. Zu den Einzelheiten hat der Deutsche Landkreistag (DLT) wie folgt informiert: 

Die Hauptgeschäftsstelle hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gebäudeenergiegesetzes und mehrerer Verordnungen zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien erhalten. Der Entwurf sieht vor, dass bereits ab dem 1. Januar 2024 die 65-Prozent-EE-Vorgabe für neue Heizungen gelten soll. Daneben werden Vorgaben für die Erhöhung der Energieeffizienz im Gebäudeenergiebereich gemacht, so zur Betriebsprüfung bei Wärmepumpen, der Heizungsprüfung und dem hydraulischen Abgleich. Spätestens bis zum Jahr 2045 soll die Nutzung von fossilen Energieträgern beendet sein. 

Änderung bei Emissionshandel und Emissionsberichterstattung 

Die Verordnung zur Änderung der Emissionshandelsverordnung 2030 und der Emissionsberichterstattungsverordnung 2022 wurde im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2023 I Nr. 47). Sie trat am 25. Februar 2023 in Kraft. 

Durch die Änderungsverordnung werden die Emissionshandelsverordnung 2030 sowie die für die BEHG-Einführungsphase der Jahre 2021 und 2022 geltende Emissionsberichterstattungsverordnung 2022 geändert. So enthält die Emissionshandelsverordnung nunmehr Regelungen zur Erbringung von Nachhaltigkeitsnachweisen beim Einsatz fester und gasförmiger Biomassebrennstoffen. Daneben kann Biomasse nur noch dann mit dem Emissionsfaktor Null berechnet werden, wenn sie die Anforderungen aus der BiomassestromNachhaltigkeitsverordnung erfüllt. 

Anpassungsnovelle Erdgas-, Wärme- und Strompreisbremsengesetze 

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erdgas-Wärme-Preisbremsengesetzes (EWPBG), zur Änderung des Strompreisbremsengesetzes sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Gesetze vorgelegt. Mit dem Gesetz sollen insbesondere technische und redaktionelle Änderungen in den Gesetzen vorgenommen werden. 

Nach erster Einschätzung des Deutschen Landkreistages (DLT) sind die Kommunen insoweit betroffen, als dass Klarstellungen für gemischte Einrichtungen aufgenommen werden. So wird u.a. in § 3 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 des EWPBG geregelt, dass ein Letztverbraucher eine Entlastung erhält, „sofern er weit überwiegend eine zugelassene Pflege-, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung oder Kindertagesstätte, eine andere Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe oder Altenhilfe ist, die im Aufgabenbereich des Sozialgesetzbuches soziale Leistungen erbringt“ bzw. nach Nr. 4 „weit überwiegend eine Einrichtung der medizinischen Rehabilitation, eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation, eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder ein anderer Leistungsanbieter oder Leistungserbringer der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch […] ist.“ 

Veranstaltung des Deutschen Landkreistages zur Geflügelpest 

Der Deutsche Landkreistag (DLT) hatte zu einer Informations- und Austauschveranstaltung zum Thema „Sachstand und Umgang mit der Geflügelpest“ eingeladen. An der Veranstaltung nahmen am 21. Februar 2023 über 60 Teilnehmer aus den Veterinärverwaltungen, den Landesverbänden, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI), dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), den Tierseuchenkassen, den Ländern sowie dem Deutschen Bauernverband teil. Das rege Interesse machte deutlich, welche große Bedeutung die Geflügelpest aktuell hat. 

Im Rahmen der Veranstaltung stellte Thorsten Bludau, Beigeordneter beim Niedersächsischen Landkreistag (NLT), einen Vorschlag des NLT zur Anpassung der tierseuchenrechtlichen Vorschriften vor. Kern des Vorschlags ist eine Neukategorisierung der Geflügelpest mit einer verpflichtenden Ausweisung einer Sperrzone für gewerbliche Betriebe mit einem Radius von einem Kilometer. Der Vorschlag einer Umkategorisierung bzw. Reduzierung der Sperrzone wurde allgemein positiv aufgefasst, soll aber mit Bund, Ländern und Institutionen noch näher besprochen werden. 

Regelung der kommunalen Zuständigkeiten für die Zivile Alarmplanung 

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport (MI) hat den Entwurf der Verordnung zur Regelung der kommunalen Zuständigkeiten für die Zivile Alarmplanung (ZustVOZAP) vorgelegt. Mit der Verordnung soll die Aufgabe zur Einrichtung einer alarmkalenderführenden Stelle nach der Richtlinie für die Zivile Alarmplanung (ZARPL) auf die unteren Katastrophenschutzbehörden übertragen werden. Hierzu soll von den jeweiligen Behörden eine Person zur Alarmkalenderbearbeitung sowie eine Vertretung bestimmt und die Erreichbarkeit der Zentralen Stelle für die Zivile Alarmplanung mitgeteilt werden. Die in dem Alarmkalender aufzunehmenden Alarmmaßnahmen sollen den betreffenden Kommunen per Erlass zugewiesen werden. 

Laut Finanzfolgeabschätzung der Landesregierung sollen sich für das Land keine haushaltsmäßigen Auswirkungen ergeben. Für die Aufgabenwahrnehmung als Alarmkalenderführende Stellen räumt das MI ein, dass sie zu einem gewissen personellen und finanziellen Mehraufwand bei den unteren Katastrophenschutzbehörden führen werde, der im Ergebnis aber landesweit nicht die Schwelle von zwei Millionen Euro erreiche. 

Verwendung des Onlinedienstes ElterngeldDigital 

Mit dem Entwurf der Elterngeld-Onlinedienst-Verordnung soll die bundeseinheitliche Abwicklung des Verwaltungsverfahrens für die Leistung Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz befördert werden. Die geplante Verordnung verpflichtet die Länder grundsätzlich dazu, bestimmte, im Einzelnen vorgegebene IT-Komponenten in den digitalen Prozess zur Beantragung der Verwaltungsleistung Elterngeld einzubinden. 

Der Bund hat die Finanzierung der Entwicklung des Onlinedienstes übernommen. Für die Länder verbleibt die Aufgabe, diesen Onlinedienst in ihre technischen und organisatorischen Abläufe einzubinden und hiernach dauerhaft zu betreiben. Diese Aufgabe liegt in der Eigenverantwortung des jeweiligen Landes (Art. 84 Abs. 1 GG). Soweit diese von ihrer Abweichungskompetenz nach Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG keinen Gebrauch machen und die vom Bund zur Verfügung gestellten IT-Komponenten nutzen, müssen sie diese in die technischen und organisatorischen Abläufe in ihrem Land einbinden. 

Dies bedeutet aus Sicht der kreislichen Elterngeldstellen, dass die Länder für die Anbindung der kommunalen Verfahren an den vom Bund zur Verfügung gestellten Online-Antrag verantwortlich sind. Dementsprechend müssen sie auch eine angemessene Finanzierung der Schnittstellenaufwände sicherstellen. 

 Entwurf einer Verordnung für den Einwegkunststofffonds 

Das jüngst durch den Deutschen Bundestag verabschiedete Einwegkunststofffondsgesetz hat die rechtlichen Grundlagen für die Bildung und Verwaltung eines Einwegkunststofffonds durch das Umweltbundesamt, die Erhebung einer Einwegkunststoffabgabe von den Herstellern sowie die Auszahlung von Mitteln an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger geschaffen. Die Abgabe soll ab 1. Januar 2024 von den Herstellern entrichtet und erstmals in 2025 für das Jahr 2024 von diesen zu zahlen seien. Auch die Mittel aus dem Einwegkunststofffonds soll erstmals 2025 ausbezahlt werden. 

Das Bundesumweltministerium hat nunmehr die konkretisierende Verordnung über die Abgabesätze und das Punktesystem des Einwegkunststofffonds im Entwurf vorgelegt. Relevanter als die normative Regelung selbst ist der umfängliche Begründungsteil zu dieser Bestimmung, die zur Ermittlung der Abgabesätze führen und eine Kombination aus Papierkörben, Straßen- und Grünflächen u.ä. vorsieht. Grundlage war ein wissenschaftliches Gutachten des Umweltbundesamtes (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/erarbeitung-eines-kostenmodells-fuer-die-umsetzung). Ähnlich aufwendig ist die Begründung zu dem nach § 3 Verordnungsentwurf vorgesehenen Punktesystem zur Auszahlung der Fondsgelder. Mit Blick auf die Landkreise dürften insbesondere die Leistungen außerorts von Relevanz sein.