NLT fordert finanzielle Entlastung und verantwortliche Einbindung der Landkreise in EU-Förderpolitik
Eine „sehr gemischte Zwischenbilanz“ hat der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Bernhard Reuter, Landkreis Göttingen, heute anlässlich der 74. öffentlichen Landkreisversammlung vor mehr als 200 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung in Gifhorn gezogen. Die neue Landtagsmehrheit habe manches im kommunalen Interesse ermöglicht, was zuvor nur schwer umsetzbar erschien. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass es eine Reihe bedeutsamer Entscheidungen gegeben habe, die gegen das ausdrückliche Votum der kommunalen Spitzenverbände getroffen worden seien.
Reuter relativierte übertriebene Erwartungen gegenüber der in Aussicht genommenen Überarbeitung des kommunalen Finanzausgleiches zum Jahr 2016. Letztlich gehe es nur um eine Umverteilung kommunalen Geldes. „Notwendig ist es vielmehr, zu einer Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung mittels einer weiteren substanziellen Entlastung durch den Bund zu kommen. Die in der Koalitionsvereinbarung auf Bundesebene getroffene Verabredung hierzu in Höhe fünf Milliarden Euro jährlich hat große Hoffnungen geweckt. Dieses Geld muss zeitnah den Gemeinden, Städten und Landkreisen zur Verfügung gestellt werden. Wenn dies über den in Berlin genannten Weg der Eingliederungshilfe aus fachlichen und finanzverfassungsrechtlichen Fragestellungen nicht realistisch erscheint, muss es zu einer Entkoppelung der finanziellen Entlastung von dem Stichwort Eingliederungshilfe kommen. Die Kommunen brauchen dieses Geld sofort.“
Kritisch setzte sich der Präsident des NLT mit einigen Reformvorhaben der Niedersächsischen Landesregierung auseinander. So bestehe aus seiner Sicht keinerlei Veranlassung, das erst vor zweieinhalb Jahren in Kraft getretene Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz einer „Generalüberholung“ zu unterziehen. Der NLT werde alle neuen Vorschläge sehr sorgfältig darauf abklopfen, ob sie zu einer Stärkung oder zu einer Schwächung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung führten. Dabei werde man insbesondere das Augenmerk auf die Rechte der gewählten ehrenamtlichen Mandatsträger legen. In „sehr überschaubaren Grenzen“ hält sich nach Auffassung Reuters auch der Überarbeitungsbedarf des Personalvertretungsgesetzes für die Kommunen. Nachhaltig warnte er davor, der kommunalen Selbstverwaltung weitere Fesseln anzulegen. „Wer dies betreibt, legt innovativen Lösungen und Verwaltungsreformen unüberwindbare Hindernisse in den Weg“, berichtete Reuter aus eigener Erfahrung mit der Landkreisfusion in Südniedersachsen.
Mahnend ging Reuter auf die Diskussion im Braunschweiger Raum zu einer möglichen Gebietsreform ein. Die bisherige Form der öffentlichen Auseinandersetzung sei nicht geeignet, zu konstruktiven Lösungen zu gelangen. Gebietsreformen seien kein Selbstzweck. In erster Linie müsse es darum gehen, flächendeckend die Verwaltungs- und Gestaltungskraft aller beteiligten Gebietskörperschaften zu steigern. Damit vertrage es sich auch nicht ansatzweise, die im Umland florierender Zentren wirtschaftlich noch relativ gut dastehenden Kommunen einzugemeinden und den Rest eines Landkreises seinem Schicksal zu überlassen. „Das Wahrnehmen einer Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion für die schwächeren Kommunen ist geradezu der Sinn eines Landkreises. An diesem Ausdruck des Solidaritätsprinzips darf insbesondere nicht rütteln, wer sich eine ausgewogene Strukturpolitik für das gesamte Land auf Fahnen geschrieben hat“, so
Reuter.
Ausdrücklich bewertete Reuter es abschließend als einen richtigen Ansatz der Landesregierung, eine ressortübergreifende Strukturpolitik zu betreiben. Mit Bedauern nehme der NLT aber zur Kenntnis, dass das innovativste und effektivste Instrument der früheren Förderperiode, die sogenannten „Regionalisierten Teilbudgets“ der Landkreise, bisher so wenig Widerhall in der jetzigen Niedersächsischen Landesregierung gefunden habe. Wenn künftig die neuen Landesbeauftragten für Projekte von regionaler Bedeutung maßgeblich in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollten, bedürfe es einer verantwortlichen Beteiligung der kommunalen Ebene. „Hierzu sind arbeitsfähige Strukturen notwendig, die einerseits eine Rückkopplung gewährleisteten, andererseits auch die Autorität haben, für den gesamten Raum zu sprechen. In Abstimmung mit den gemeindlichen Verbänden schlägt der NLT vor, einen kommunalen Begleitausschuss für solch strategisch und finanziell bedeutsame Fragen bei den Landesbeauftragten zu installieren, dem jeweils vier Hauptverwaltungsbeamte der Kreis- und der Gemeindeebene angehören sollen“, betonte Reuter.