NLT fordert mehr kommunalen Einfluss auf Förderpolitik des Landes
Künftige EU-Förderperiode und Umweltpolitik im Mittelpunkt des Landräteseminars
Der Niedersächsische Landkreistag (NLT) hat anlässlich seines 29. Landräteseminars in Goslar den engen Zusammenhang zwischen der künftigen EU-Strukturförderung und dem „Zukunftsvertrag“ zwischen der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden betont. Die Verwaltungschefs der 37 niedersächsischen Landkreise und der Region Hannover forderten angesichts knapper werdender EU-Fördergelder eine noch engere Verzahnung der Förderpolitik des Landes mit den Kommunen und eine gezielte Förderung strukturschwacher Räume, um ein weiteres Auseinanderdriften der wirtschaftlichen Entwicklung in Niedersachsen zu verhindern.
Zu Beginn der zweitägigen Klausurtagung erläuterte die Chefin der Niedersächsischen Staatskanzlei, Staatssekretärin Dr. Christine Hawighorst, den Stand der Überlegungen zur künftigen EU-Strukturförderung aus Sicht der Landesregierung. Die Landräte hoben übereinstimmend hervor, die „Regionalisierten Teilbudgets“, die den Landkreisen in der laufenden Förderperiode erstmals ermöglicht haben, eigenverantwortlich Mittel einzusetzen, hätten sich außerordentlich bewährt und müssten mindestens in der bisherigen Höhe fortgeführt werden. „Kaum ein Instrument der Wirtschaftsförderung hat so nachhaltig messbare Erfolge beim Schaffen und Erhalten von Arbeitsplätzen bewirkt. 3.672 geschaffene und 16.048 gesicherte Dauerarbeitsplätze sprechen für sich. Die Landkreise sind in der Lage, flexibel auf die Verhältnisse vor Ort zu reagieren. Dieser innovative Förderansatz passt in den europäischen Instrumentenkoffer und bringt den maximalen Ertrag vor Ort“, bilanzierte der Vorsitzende des NLT, Landrat Bernhard Reuter, Landkreis Göttingen.
Reuter spannte den Bogen zum „Zukunftsvertrag“, der das Ziel habe, leistungsfähige Kommunen zu erhalten. Ernüchtert zeigten sich die Landräte über die fehlende Bereitschaft des Landes, Aufgaben auf die kommunale Ebene zu übertragen. „Wir müssen feststellen, dass umfangreich geprüft wurde, es aber keinen politischen Willen zur Aufgabenverlagerung gibt. Das ist enttäuschend. Umso wichtiger ist es aber, wenigstens die Förderpolitik zwischen Land und Kommunen zukünftig optimal abzustimmen. Dies muss im gemeinsamen Interesse liegen, denn es hilft nicht, die besonders finanzschwachen Kommunen mit hohem finanziellen Einsatz zu entschulden, wenn ihnen nicht die Instrumente an die Hand gegeben werden, ihre wirtschaftliche Situation aus eigener Kraft zu verbessern. Die künftige Förderpolitik muss noch passgenauer und nachhaltiger werden“, forderte Reuter mit Nachdruck.
Diesen Aspekt griff Reuter auch anlässlich des Gedankenaustausches mit Landwirtschaftsminister Gert Lindemann in Goslar auf. Der NLT forderte die gesetzliche Absicherung von Koordinierungsausschüssen für die Ländliche Entwicklung, in denen die Umsetzung des ELER-Programms durch die Regionaldirektionen der Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen mit den Landräten der betroffenen Landkreise unter Einbeziehen der Gemeindeebene künftig abgestimmt werden soll. Ferner erneuerten die Landräte die Forderung, eine bessere planerische Steuerung gewerblicher Stallanlagen im Außenbereich durch eine Änderung des Baugesetzbuches des Bundes zu ermöglichen. Schließlich wurde auf die verdichtete Arbeitsbelastung in den Lebensmittel- und Veterinärämtern der Landkreise hingewiesen, die keine weitere Aufgabenverdichtung ohne Anpassung der Personalstärke zulasse. „Es handelt sich um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, hier steht das Land in der Pflicht, für eine angemessene finanzielle Ausstattung der Landkreise zu sorgen“, erläuterte Landrat Reuter.
Am zweiten Tag des Landräteseminars stand die neue Staatssekretärin im Niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz, Ulla Ihnen, den Landräten als Gesprächspartnerin zur Verfügung. Sie streifte einen breiten Fächer gemeinsamer Themen. Die Landräte brachten ihre Sorge zum Ausdruck, dass die bundesrechtlich gebotene Ausweisung von Überschwemmungsgebieten nicht fristgerecht umgesetzt werden könne, weil es in weiten Teilen des Landes immer noch an den notwendigen Datengrundlagen mangele. „Es wäre nicht akzeptabel, wenn am Ende die Landkreise den Schwarzen Peter erhalten, obwohl ein anderer nicht rechtzeitig die Hausaufgaben gemacht hat“, erläuterte der stellvertretende NLT-Vorsitzende, Landrat Klaus Wiswe, Landkreis Celle. Breiten Raum in der Diskussion nahm die Umsetzung des kürzlich vorgestellten Energiekonzeptes der Landesregierung ein. Wiswe forderte in diesem Zusammenhang eine zügige Verabschiedung des neuen Landesraumordnungsprogrammes. Wiswe: „Nur dann können die Landkreise als Verantwortliche für die Regionalplanung die notwendigen Weichen beispielsweise für die Ausweisung neuer Windkraftanlagen stellen.“
Den Abschluss der Veranstaltung bildete ein Vortrag von Professor Dr. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion und Leiter der Redaktion Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung. Er referierte prägnant und hintergrundreich zum Thema „Die Moral der Elite“. Nicht Geld-, Macht und Genussfülle dürfe kennzeichnend sein für die Elite im demokratischen Rechtsstaat. Zur wirklichen Elite gehörten vielmehr diejenigen, die sich in Wohlfahrtsverbänden, sozialen Initiativen, Stiftungen, an der Basis der Demokratie engagierten. Prantl rief die Landräte auf, die moderne Wohlfahrt zu organisieren.