Für Kreistags-/Regionsabgeordnete Ausgabe 15

Aktuelle rechtspolitische Entwicklung zu COVID-19

Videokonferenz der Bundeskanzlerin mit den kommunalen Spitzenverbänden

Nach Mitteilung des Deutschen Landkreistages (DLT) hat am 14. Mai 2020 ein Gespräch der Bundeskanzlerin Dr. Merkel mit den Präsidenten und Hauptgeschäftsführern der kommunalen Spitzenverbände stattgefunden, an dem auch Kanzleramtsminister Prof. Dr. Braun und Bundesminister Spahn teilgenommen haben.

In einem ersten Gesprächsteil ging es um das Agieren der 375 Gesundheitsämter im Rahmen der weiteren Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus. Die Kanzlerin und der Bundesgesundheitsminister äußerten großen Respekt und Anerkennung für das bisher in dieser Hinsicht von den Verantwortlichen in Landkreisen und kreisfreien Städten Geleistete. Seitens des Bundes wurde zudem kein Zweifel daran gelassen, dass ein dem örtlichen Infektionsgeschehen angemessenes Handeln der Gesundheitsämter nach wie vor richtig sei und dieses situationsentsprechende Agieren nicht durch die zwischen Bund und Ländern verabredete Grenze von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern während der letzten sieben Tage relativiert worden sei.

Insofern bezeichnete Spahn die vorgesehenen Maßnahmen wie mobile Teams, Finanzhilfen oder Apps ausdrücklich als „Unterstützung da, wo es gewünscht wird.“ Es „soll keine aufgedrängte Bereicherung werden.“ Es gehe vielmehr darum, für eine mögliche zweite Infektionswelle vorbereitet zu sein und daher habe der Bund in diesem Geiste „Angebote an die kommunalen Behörden“ entwickelt. Er wolle „Partner und Unterstützer sein und nicht Reinreder.“ In diesem Sinne gehe das Interesse des Bundes dahin, darüber informiert zu werden, wie leistungsfähig die kommunalen Strukturen vor Ort seien.

DLT-Präsident Landrat Sager dankte gemeinsam mit Städtetagspräsident Jung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern, die verdienstvolle Arbeit leisteten. Insgesamt beurteilte er die Situation in den kommunalen Gesundheitsämtern als angespannt und arbeitsintensiv, aber weiterhin seien die Landkreise gut aufgestellt. Voraussetzung dafür, dass es so bleibe, seien personelle und strukturelle Vorbereitungen.

In Niedersachsen wird sich am 26. Mai 2020 die auf Anregung des Niedersächsischen Landkreistages ins Leben gerufene Arbeitsgruppe zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes konstituieren. Unter Leitung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung wirken dort Leiterinnen und Leiter von drei niedersächsischen Gesundheitsämtern und die Geschäftsstellen von NST und NLT mit.

Finanzfolgen der Krise für die Kommunen

Vor dem hochaktuellen Hintergrund der parallel veröffentlichten Steuerschätzung für Bund, Länder und Kommunen sprach die Bundeskanzlerin im zweiten Teil des zuvor genannten Gesprächs die Folgen der Corona-Pandemie für den staatlichen Gesamthaushalt an. Hier seien die Rückgänge auf allen Ebenen deutlich spürbar, dennoch befände man sich noch in einem Bereich, der beherrschbar sei. Sie kündigte für den Sommer ein „Belebungsprogramm“ für Investitionen und wirtschaftliche Tätigkeit an.

DLT-Präsident Sager sprach aus Sicht der Landkreise vor allem die gut 2 Milliarden Euro an, die bis zum Herbst als coronabedingte SGB II-Mehrausgaben bei den Landkreisen anfielen. Dafür müsse der Bund einen Ausgleich schaffen, idealerweise im Wege eines entsprechenden Festbetrages an der Umsatzsteuer, der nach Einwohnern verteilt werden sollte. Auch die gemeindlichen Spitzenverbände schilderten ihre jeweilige finanzielle Betroffenheit, so dass deutlich wurde, dass es insgesamt vor allem um eine Sicherung der kommunalen Finanzausstattung (durch die Länder) gehe.

Das Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages hat sich im Rahmen seiner Videokonferenz am 19. Mai 2020 auch kurz mit der von Bundesfinanzminister Scholz signalisierten Unterstützung der kommunalen Ebene aus dem Bundeshaushalt beschäftigt. Präsident Landrat Klaus Wiswe wertete es grundsätzlich als ein positives Zeichen, dass der Bund bereit ist, den Städten, Gemeinden und Landkreisen in Folge der zu erwartenden Gewerbesteuerausfälle in Höhe von knapp 6 Milliarden Euro zu unterstützen. Vorzugswürdig sei aus seiner Sicht aber der Vorschlag, den kommunalen Umsatzsteueranteil zu erhöhen und das Geld nach Einwohnern zu verteilen. Auf Ablehnung stieß im Präsidium des NLT die Verquickung der finanziellen coronabedingten Hilfe für die Kommunen mit der sogenannten Altschuldenproblematik. Das Thema der finanziellen Unterstützung der Kommunen wegen der coronabedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben wird auch zentraler Gegenstand des Gespräches der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände am 26. Mai 2020 mit dem Niedersächsischen Landeskabinett sein. 

Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 19. Mai 2020

Überraschend hat das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung am Freitag, dem 15. Mai 2020 einen erneuten Entwurf zur Änderung der niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vorgelegt. Trotz der praktisch nur über das Wochenende laufenden Anhörungsfrist haben die Geschäftsstelle zahlreiche Hinweise der Mitglieder hierzu erreicht. Zentraler Gegenstand der am 20. Mai 2020 in Kraft getretenen Neuregelung ist, dass Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern, Vorsorgeeinrichtungen und Rehabilitationseinrichtungen unter Beachtung eines von der Leitung der Einrichtung erstellten Hygienekonzepts berechtigt sind, Besuch von einer Person gleichzeitig zu empfangen es sei denn, dass es in der Einrichtung ein aktuelles SARS-CoV-2-Infektionsgeschehen gibt. Das abgesprochene Hygienekonzept muss unverzüglich fertiggestellt werden und ist auf Verlangen der zuständigen Behörde von der Leitung der Einrichtung vorzulegen. Die genannte Regelung gilt für Heime für ältere Menschen, pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderungen sowie in ambulant betreuten Wohngemeinschaften, in Formen des Betreuten Wohnens und in ambulant betreuten Wohngemeinschaften zum Zweck der Intensivpflege weitgehend entsprechend.

Neue Corona-Verordnung zum 25. Mai 2020 liegt zur Anhörung vor

Noch vor Inkrafttreten der oben genannten Änderung der Corona-Verordnung hat die Landesregierung zur Umsetzung des nächsten Schrittes des Stufenplans der Niedersächsischen Landesregierung, der am 25. Mai 2020 in Kraft treten soll, am 18. Mai 2020 einen weiteren Entwurf zur Änderung der Niedersächsischen Coronaverordnung vorgelegt. Sie sieht umfangreiche Änderungen vor.

Beispielsweise wird die Zahl der geschlossenen Einrichtungen weiter reduziert, weil nun z. B. Freizeitparks und Spielhallen sowie Fitnessstudios geöffnet werden sollen. Komplett neu geregelt wird die Sportausübung. Sie ist nun grundsätzlich auf und in öffentlichen und privaten Sportanlagen und ähnlichen Einrichtungen unter Einhaltung der allgemeinen Grundregeln zulässig.

Nach dem Verordnungsentwurf soll auch die Nutzung von Schwimm- und Spaßbädern im Freien für zulässig erklärt werden. Die Präsidien der drei kommunalen Spitzenverbände haben sich am 19. bzw. 20. Mai 2020 übereinstimmend dahingehend geäußert, die Wiedereröffnung der Freibäder zu verschieben, bis die Niedersächsische Landesregierung unter Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände entsprechende praktisch umsetz- bare Handlungsempfehlungen und ein Hygienekonzept für Freibäder und Spaßbäder im Freien herausgegeben haben.

Neu gefasst werden die Bestimmungen zur Beherbergung von Personen. Grundsätzlich wird die Beherbergung von Personen in Beherbergungsstätten, Hotels, Jugendherbergen, Familien- und Freizeitstätten, Jugendbildungsstätten sowie private und gewerbliche Vermietung von Ferienwohnungen, Ferienhäusern, Campingplätzen, Wohnmobilstellplätzen und Bootsliegeplätzen gestattet, wenn die in der Verordnung genannten Anforderungen eingehalten werden. Insbesondere in Hotels sollen nach dem Entwurf nur eine 50 %ige Auslastung erfolgen (inzwischen sind 60 % im Gespräch und es sind die aktuellen Handlungsempfehlungen der DEHOGA Niedersachsen sowie die Regelung der Berufsgenossenschaft zu beachten. Ebenfalls vollständig neugefasst werden die Regelungen zur Gastronomie.

Viele der genannten Regelungen waren bereits vor und während der Anhörung Gegenstand lebhafter öffentlicher Diskussionen. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe von NLT-Aktuell war daher der endgültige Wortlaut der Verordnung nicht abzusehen. Die Verordnung soll in wesentlichen Teilen wohl bis zum 30. Juni 2020 gelten.

NLT fordert Kurswechsel in der Krisensteuerung

Der Niedersächsische Landkreistag (NLT) fordert einen Kurswechsel in der Krisensteuerung. Die Corona-Verordnung des Landes müsse kürzer und verständlicher werden, sagte NLT-Präsident Klaus Wiswe nach einer Präsidiumssitzung des kommunalen Spitzenverbandes am 19. Mai 2020. Das verantwortungsbewusste Verhalten breiter Teile der Bevölkerung und die gute Arbeit der Gesundheitsbehörden seien bisher und in Zukunft Garanten dafür, dass Lockerungen überhaupt möglich seien. „Wir brauchen jetzt klare Zielvorgaben für ein verantwortungsbewusstes Verhalten in der Krise, zum Beispiel für den Mindestabstand und die Hygiene. Alle weiteren Vorschriften der Corona-Verordnung sollten dringend auf ihre Notwendigkeit geprüft werden. Das System ist unübersichtlich und in sich nicht mehr stimmig“, fasste Wiswe die Stimmungslage der niedersächsischen Landkreise und der Region Hannover zusammen.

„Recht braucht Akzeptanz. Neues Recht im Tages- oder Wochenrythmus ist dafür ungeeignet. Es untergräbt das Rechtsvertrauen der Bevölkerung, wenn das verkürzte Anhörungsverfahren für eine weitere Änderung der Verordnung schon eingeleitet wird, bevor die vorherige Änderung das Gesetzblatt erreicht hat. Die Gesundheitsbehörden kommen nicht mehr nach, den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, warum gerade welche Einzelregelung gilt. Es bedarf für die kommenden Monate einer anderen Regelungstechnik und Kommunikation“, erläuterte NLT-Hauptgeschäftsführer Prof. Hubert Meyer.

Fahrplan für weitere Schulöffnung

Mit Schreiben vom 14. Mai 2020 an die Schulleitungen hat der Niedersächsische Kultusminister Grant Hendrik Tonne unter anderem einen angepassten Fahrplan für die weitere Schulöffnung bekanntgegeben. Darin enthalten sind auch die Starttermine für Jahrgänge, zu denen es noch keine genauen Festlegungen gab. Der Präsenzunterricht für die Klassenstufe 2 soll zeitgleich mit den Klassenstufen 7 und 8 in der Woche nach Pfingsten am 3. Juni 2020 starten. Für die Klassenstufe 1 soll zeitlich mit den Klassenstufen 5 und 6 der Präsenzunterricht ab dem 15. Juni 2020 wiederaufgenommen werden.

Sozialschutz-Paket II beschlossen

Der Deutsche Bundestag und der Bundesrat haben das Sozialschutz-Paket II verabschiedet. Damit wird neben befristeten Änderungen zur Höhe des Kurzarbeitergeldes und zur Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes die außerschulische Mittagsverpflegung im Rahmen des Bildungspaketes geregelt. Außerdem werden Änderungen des Sozialdienstleistereinsatzgesetzes vorgenommen. Der Deutsche Landkreistag hatte dazu schriftlich sowie im Rahmen einer Ausschussanhörung Stellung genommen. Erreicht werden konnte dabei unter anderem, dass bei der Mittagsverpflegung nicht nur pandemiebedingt höhere Ausgaben, sondern auch Lieferkosten übernommen werden.

Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite

Der Bundestag hat am 14. Mai 2020 das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite beschlossen. Zuvor hatten die Fraktionen von CDU/CSU und SPD einige Änderungsanträge zu dem Entwurf vorgelegt. Der Gesundheitsausschuss des Bundestages hat den Entwurf am 13. Mai 2020 beraten und dem Bundestag mit den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen zum Beschluss empfohlen.

Für die Landkreise sind insbesondere folgende Änderungen, die die Koalitionsfraktionen eingebracht hatten, von Interesse:

Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 14 des Infektionsschutzgesetzes). Die Gesellschaft für Telematik soll das Robert Koch-Institut (RKI) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der Einrichtung des elektronischen Melde- und Informationssystems (DEMIS) unterstützen.

Der erhöhte Leistungsbetrag für eine Kurzzeitpflege in Rehabilitationseinrichtungen soll rückwirkend zum 28. März 2020 gelten.

In Bezug auf Krankenhäuser sind folgende Punkte relevant:

  • Differenzierung der Ausgleichspauschale anhand der Krankenhausbetten oder anderer krankenhausbezogener Kriterien
  • Zusatzentgelt für Testungen auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 im Rahmen von voll- oder teilstationären Behandlungen
  • Ausnahmetatbestand beim Fixkostendegressionsabschlag und Festsetzung eines Pflegeentgeltwertes
  • Kostenübernahme für COVID-19- oder Antikörpertests auch ohne Symptomanzeichen
  • Sicherstellung der Versorgung in Sozialpädiatrischen Zentren und medizinischen Behandlungszentren durch Anpassung der Vergütungsvereinbarungen

Europäische Kommission richtet neue Plattform zur besseren Rechtsetzung ein

Am 11. Mai 2020 hat die Europäische Kommission die Plattform „Fit for Future“ ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um eine Expertengruppe, die die Kommission dabei unterstützen soll, die geltenden EU-Rechtsvorschriften zu vereinfachen und den Verwaltungsaufwand für Bürger und Unternehmen zu reduzieren. Auch soll sie dazu beitragen, die EURechtsvorschriften zukunftsfähig zu gestalten.

„Fit for Future“ wird die bisher bestehende „REFIT-Plattform“ ablösen, die von 2015 bis 2019 mit der Vereinfachung des EU-Rechts und die Reduzierung des Verwaltungsaufwands befasst war. Auch die neue Plattform soll sich nach Angaben der Kommission aus einer Gruppe von Behördenvertretern und einer Gruppe von Interessenträgern zusammensetzen. Anders als bisher soll die ‚Regierungsgruppe‘ jedoch nicht nur aus Vertretern von nationalen, sondern auch regionalen und kommunalen Behörden der Mitgliedstaaten und Vertretern des Ausschusses der Regionen (AdR) bestehen. In der „Interessenvertretergruppe“ sollen u. a. Vertreter des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses und Interessenträgergruppen mit praktischem Fachwissen in verschiedenen Politikbereichen beteiligt werden. Mit der geänderten Zusammensetzung reagiert die Kommission auf die Kritik der kommunalen Spitzenverbände und des AdR hinsichtlich der Zusammensetzung der „Regierungsgruppe“.

Sobald die Plattform ihre Tätigkeit aufnimmt, sollen sich Zivilgesellschaft und Interessenträger zu den Maßnahmen zur Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands äußern können.

Weitere Themen

Steuerschätzung: Regionalisierung für Niedersachsen

Der Niedersächsische Finanzminister hat am 18. Mai 2020 die Ergebnisse der Regionalisierung der Steuerschätzung für Niedersachsen in der Öffentlichkeit vorgestellt. Wegen der Corona-Pandemie werden sowohl für das Land Niedersachsen als auch für die niedersächsischen Kommunen erhebliche Rückgänge gegenüber den bisherigen Prognosen erwartet. Für das Land werden im laufenden Jahr Mindereinnahmen von knapp 3,4 Milliarden Euro erwartet. Bis zum Jahr 2024 summieren sich die Rückgänge gegenüber den bisherigen Planungen auf fast 8 Milliarden Euro. Die Veränderung der Einnahmeerwartungen ergeben sich aus nachfolgendem Schaubild: 

Für den kommunalen Finanzausgleich rechnet das Land im Jahr 2020 mit Mindereinnahmen von 536 Millionen Euro und im Folgejahr von 212 Millionen Euro. Auch in den darauffolgenden Jahren rechnet das Finanzministerium mit Rückgängen im kommunalen Finanzausgleich zwischen 132 und 223 Millionen Euro.

Die jetzige Steuerschätzung ist angesichts der aktuellen Unwägbarkeiten ein erster Hinweis, wie sich die Corona-Pandemie auf die Einnahmen der öffentlichen Haushalte in Nie- dersachsen bei einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes von 6,3 % darstellen könnte. Wegen der Unsicherheiten ist für September eine weitere, zusätzliche Steuerschätzung vorgesehen.

Volksbegehren Artenvielfalt gestartet / „Der niedersächsische Weg“

Die Landeswahlleiterin hat über die Durchführung eines Volksbegehrens nach Artikel 48 der Niedersächsischen Verfassung informiert. Das Volksbegehren trägt die Bezeichnung „Artenvielfalt“. Auf der Internetpräsenz des Volksbegehrens (www.artenvielfaltniedersachsen.jetzt/) wird zum Inhalt Näheres ausgeführt. Dort ist auch der zur Abstimmung gestellte Gesetzentwurf eingestellt, mit dem nach dem Willen der Initiatoren Änderungen des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bundesnaturschutzgesetz, des Niedersächsischen Wassergesetzes und des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung einhergehen sollen. Initiatoren des Volksbegehrens sind unter anderem Bündnis 90/Die Grünen sowie der NABU Niedersachsen.

Mit der Anzeige der Durchführung bei der Landeswahlleiterin ist das Volksbegehren formal gestartet. Zur Zulässigkeit bedarf es 25.000 stimmberechtigte Unterstützer. Das Volksbegehren würde hiernach zustande kommen, wenn es von mindestens 10 % der Wahlberechtigten in Niedersachsen unterstützt wird, also über 600.000 Personen. Im Ergebnis würde dann der zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf, versehen mit einer Stellungnahme der Landesregierung, an den Landtag weitergeleitet. Der Landtag wäre nicht zur Annahme verpflichtet. Würde er den Gesetzentwurf nicht annehmen, würde es zu einem Volksentscheid kommen.

Der NABU gehört neben dem BUND sowie der Landwirtschaftskammer und dem Niedersächsischen Landvolk zu den Partnern einer Vereinbarung „Der Niedersächsische Weg – Maßnahmepaket für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz“. Umweltminister Olaf Lies hat die Zielrichtung dieser Initiative am 19. Mai 2020 im Rahmen einer Videokonferenz dem Präsidium des Niedersächsischen Landkreistages erläutert. Sie sieht ebenfalls umfangreiche Änderungen des niedersächsischen Regelwerkes insbesondere im Bereich Naturschutz und Wasserrecht vor. Das Präsidium kann die Vereinbarung inhaltlich grundsätzlich mittragen und den eingeschlagenen Weg unterstützen. Es hat in der die Vereinbarung begleitenden Finanzmittelbereitstellung einen Beitrag gesehen, um der mangelnden Finanzierung der Natura 2000 Maßnahmen zu begegnen. Das Präsidium hat darüber hinaus die Forderung gegenüber dem Land bekräftigt, die im übertragenen Wirkungskreis arbeitenden kommunalen Wasser- und Naturschutzbehörden finanziell besser auszustatten. Wir werden hierauf an geeigneter Stelle gesondert zurückkommen. 

Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und der Hasskriminalität

Der Deutsche Landkreistag hat uns darüber unterrichtet, dass im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 6. Mai 2020 eine Anhörung über den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität stattgefunden hat, über den wir bereits an anderer Stelle berichtet hatten. Das vorgeschlagene Gesetz dient einerseits dazu, den sträflichen Schutz von kommunalen Amts- und Mandatsträgern zu verbessern, andererseits sollen die Grundlagen für eine effektivere Strafverfolgung von Hasskriminalität mit rechtsextremistischem Hintergrund vor allem im Internet gelegt werden. Die Hauptgeschäftsstelle des Deutschen Landkreistages hat die Vorschläge unter Bezugnahme auf die vom Präsidium des Deutschen Landkreistages bereits im Januar 2018 verabschiedete Resolution „Keine Gewalt gegen öffentliche Bedienstete“ weitgehend begrüßt.

Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz vom Landtag beschlossen

In seiner Sitzung am 12. Mai 2020 hat der Niedersächsische Landtag das Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Tierische NebenprodukteBeseitigungsgesetz (LT-Drs. 18/5950) mit den vom Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfohlenen Ergänzungen (LT-Drs. 18/6402und 18/6441) beschlossen. Das Änderungsgesetz beinhaltet auf Anregung des NLT insbesondere eine Regelung zu den Kosten bei der Entsorgung von transporttoten Tieren (§ 3 Abs. 3). Dies führt zu einer finanziellen Entlastung der Landkreise als Kostenträger der Tierkörperbeseitigung. Enthalten sind auch Regelungen zur Datenübermittlung zwischen der Niedersächsischen Tierseuchenkasse und den Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenprodukte (§ 3 Abs. 8). Daneben wurde der Abrechnungsweg reformiert. Die Kostenerstattung wird zukünftig im Falle der Übertragung der Beseitigungspflicht direkt von der Tierseuchenkasse an den Inhaber der Beseitigungseinrichtung erfolgen (§ 3 Abs. 5 Satz 1). Damit kann die Tierseuchenkasse das ihr eingeräumte Prüfrecht unmittelbar umsetzen. Auf Anregung der kommunalen Spitzenverbände wurde zudem ein Prüfrecht für die Landkreise und kreisfreien Städte verankert (§ 3 Abs. 5 Sätze 4 und 5), damit auch die Kommunen im Streitfall nachprüfen können, ob die von den Beseitigungsunternehmen geltend gemachten Kosten „wirtschaftlich notwendig“ sind.

Nationales Emissionshandelssystem

Ab 2021 wird ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffe in den Sektoren Verkehr und Wärme eingeführt. Die Inverkehrbringer von Brennstoffen, bei deren Verbrennung CO2 -Emissionen entstehen, müssen hierfür Zertifikate erwerben, wodurch die Verwendung dieser Brennstoffe schrittweise verteuert werden soll. Die Deutsche Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt hat ein Hintergrundpapier erstellt, in dem die Funk-tion und Ausgestaltung des nationalen Emissionshandelssystems erläutert werden. Die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger werden in Bezug auf die Verbrennung von Siedlungsabfällen von dem Emissionshandelssystem betroffen sein. Einzelheiten hierzu werden sich jedoch erst aus noch zu erlassenden Rechtsverordnungen der Bundesregierung ergeben. Das Hintergrundpapier steht auf der Internetseite der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) zum Download zur Verfügung.

BVerwG: Landratsamt zur Weiterleitung von Eingaben an Kreistagsabgeordnete verpflichte

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 6. Mai 2020, Az. 8 C 12.19) hat entschieden, dass ein Landratsamt zur Weiterleitung von Briefen an Kreistagsabgeordnete (in Baden-Württemberg „Kreisräte“), die bei ihm eingegangen sind, verpflichtet ist, weil es sich dabei um Petitionen im Sinne von Art. 17 GG handeln könnte. Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Im September 2016 versandte der Kläger Briefe an die Kreisräte und den Landrat des Landkreises Rottweil, in denen er diese u.a. aufforderte, ihre kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten geltend zu machen, um von ihm behauptete Rechtsverstöße eines im Landkreis ansässigen Unternehmens zu unterbinden. Die Anschrift enthielt jeweils die Funktionsbezeichnung, den Namen und den Zusatz „c/o Landratsamt Rottweil“ sowie die Bemerkung „persönlich/vertraulich“. Einige Briefe erreichten die Adressaten. Die übrigen sandte das Landratsamt an den Kläger zurück.

Ausweislich der bislang nur vorliegenden Pressemitteilung des Gerichts steht dem Kläger nach Auffassung des BVerwG der geltend gemachte Anspruch auf Weiterleitung der Briefe aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 17 GG zu. Mit diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben steht die Verwaltungspraxis des Landratsamtes, Briefe von Einzelpersonen an Kreisräte generell nicht an diese weiterzuleiten, nicht in Einklang. Jedenfalls Petitionen von Einzelpersonen müssen gemäß Art. 17 GG weitergeleitet werden. Ob hier alle Voraussetzungen einer Petition im Sinne der Vorschrift erfüllt waren, musste nicht abschließend geklärt werden. Nachdem das Landratsamt festgestellt hatte, dass die Eingabe einigen Kreisräten zugegangen war, musste es sie jedenfalls aus Gründen der Gleichbehandlung auch den übrigen Kreisräten zuleiten. Nur so konnte jeder angeschriebene Kreisrat prüfen, ob es sich bei dem Schreiben um eine Petition handelte, und gegebenenfalls das Erforderliche veranlassen. Art. 17 GG gewährleistet jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Die schriftlichen Gründe der Entscheidung liegen noch nicht vor.