Bundesgesundheitsminister will den Rettungsdienst zentralisieren und kaputtsparen

Die Katze ist aus dem Sack: Jetzt bekannt gewordene Änderungsanträge des Bundesgesundheitsministeriums zum Gesetz zur Reform der Notfallversorgung sehen eine faktisch vollständige Übernahme des Rettungsdienstes durch den Bund vor. Hilfsfristen, Fahrzeugbesetzung, Finanzierung, Personal, sogar die Software in den Leitstellen – alles soll künftig zentral für ganz Deutschland von einem demokratisch nicht legitimierten Gremium mit acht Personen unter Vorsitz des Ministeriums festgelegt werden. „Ein grotesker Vorschlag für eine Aufgabe, für die nach dem Grundgesetz die Länder zuständig sind und die derzeit vom Landtag und unseren Kreistagen zuverlässig gesteuert wird“, erklärt der Präsident des Niedersächsischen Landkreistages (NLT), Landrat Marco Prietz, zu den durchgesickerten Vorschlägen des Bundes. „Wir rufen alle Landesregierungen und Landtage auf, diese Pläne sofort zu stoppen“, so Prietz.

„Wir sehen uns gemeinsam mit Innenministerin Daniela Behrens und weiteren Bündnispartnern darin bestätigt, mit dem jüngst gestarteten Bündnis ,Rettet den Rettungsdienst 2.0‘ deutlich zu machen, wohin das führen wird: Der Bund gefährdet den Rettungsdienst als kommunal verankerte Aufgabe der Gefahrenabwehr und wichtigen Baustein im Bevölkerungsschutz, ohne zuvor mit Ländern und Kommunen gesprochen zu haben“, erläutert NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer. Zudem würden die Landtage politisch völlig entmachtet: Hilfsfristen, Fahrzeugbesetzung, Rettungsstrategie, Telenotfallmedizin und Kostentransparenz waren bisher alleinige Zuständigkeiten der Länder, die der Bund nun an sich reiße. „Es wird so kommen wie im Krankenhausbereich: Der Bund wird mit diesen unnötigen und vom ihm selbst gesetzten bürokratischen Vorgaben ermöglichen, die Kosten zu drücken“, führt Meyer aus. „Am Schluss wird wieder darauf gesetzt, dass die Landkreise im Interesse der Notfallpatienten für einen weiterhin funktionierenden Rettungsdienst als Ausfallbürgen mit kommunalem Geld einspringen. Das müssen wir mit aller Macht verhindern“, so der NLT-Hauptgeschäftsführer.

Hintergrund:

Eine Formulierungshilfe des Bundesgesundheitsministeriums mit Stand 15. Oktober 2024 sieht unter anderem in § 133b SGB V-E die Gründung eines achtköpfigen Qualitätsausschusses Notfallrettung vor, dem vier Mitglieder auf Vorschlag der Bundesländer und vier Mitglieder auf Vorschlag der Krankenkassen angehören sollen. Dieses Gremium soll nach § 133c Abs. 2 SGB V des Entwurfes Empfehlungen unter anderem verabschieden hinsichtlich

1. der Qualifikation des Personals, der Ausstattung, Besetzung und ärztlichen Leitung der Leitstellen einschließlich des Einsatzes eines Telenotarztes zur Unterstützung und Sicherstellung einer fachgerechten Patientenversorgung,
2. der automatisierten und standardisierten Ortung von Notrufenden,
3. der Nutzung von qualitätsgesicherten, standardisierten softwaregestützten Abfragesystemen,
4. Maßnahmen zur Förderung der Laienreanimation und der Ersten Hilfe durch Laien in anderen zeitkritischen lebensbedrohlichen Situationen sowie der Einbindung registrierter Ersthelfer über mobile Alarmierungs-Applikationen und öffentlich zugänglicher Automatisierter Externer Defibrillatoren,
5. nach medizinischer Indikation und disponiertem Einsatzmittel differenzierter Hilfsfristen sowie Maßnahmen zur Optimierung des jeweiligen Zielerreichungsgrades,
6. der Auswahl von bedarfsgerechten Einsatzmitteln (Disposition) und Maßnahmen zur Disposition anhand des Einsatzmittelstandorts,
7. der Nutzung standardisierter und vernetzter Einsatzleitsysteme (Leitstellensoftware) zur Ermöglichung einer landkreis- und länderübergreifenden Alarmierung von Einsatzmitteln einschließlich der Bereitstellung entsprechender technischer und organisatorischer Schnittstellen,
8. des Einsatzes von digitalen Lösungen zur Patientensteuerung und zur Patientenzuweisung mithilfe eines integrierten softwaregestützten Behandlungskapazitäten-Nachweises in geeignete Versorgungseinrichtungen,
9. der Anbindung und Koordination von spezialisierten Formen der ambulanten Notfallversorgung oder weiteren ambulanten Versorgungsformen.

Weitere Vorgaben sind geplant nach § 133 Abs. 3 SGB V-E für den Bereich

1. der Qualifikation des Personals, der Ausstattung und der Besetzung der Einsatzmittel einschließlich des Einsatzes eines Telenotarztes zur Unterstützung oder Sicherstellung einer fachgerechten Patientenversorgung,
2. nach medizinischer Indikation und disponiertem Einsatzmittel differenzierter Hilfsfristen, soweit medizinisch geboten auch zu Prähospitalzeiten, und Maßnahmen zur Optimierung des jeweiligen Zielerreichungsgrades,
3. der medizinischen Versorgung vor Ort und während des Transports,
4. der Aufgaben der Ärztlichen Leitung des Rettungsdienstes,
5. der Entscheidung bezüglich der Art und Weise einer Weiterversorgung im Krankenhaus, in der ambulanten Versorgung und anderen komplementären Systemen,
6. der Qualitätssicherung für die medizinische Notfallrettung.

Diese Vorgaben sind nach der Neuregelung des § 133 Abs. 2 Satz 5 SGB V-E bei der Vergütung der Leistungen des Rettungsdienstes zu Grunde zu legen.